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Ausgraben in der ehemaligen historischen Altstadt
Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts war Münster noch nicht über den Umfang seiner mittelalterlichen Befestigung hinausgewachsen. Dies änderte sich auch nicht, nachdem ab 1767 der innere Mauerring abgetragen, Wall und Graben eingeebnet wurden und 1770/1771 anstelle des äußeren Mauerrings die Grünanlage der Promenade entstanden war. Weiterhin blieb das direkt angrenzende ländliche Umfeld für die nächsten rund hundert Jahre landwirtschaftlich geprägt und dünn besiedelt.
Auf der nur 104 Hektar großen Fläche der ehemaligen historischen Altstadt lebten während des Mittelalters und der Frühen Neuzeit gerade einmal 10.000 bis 12.000 Menschen. Vor der ersten Eingemeindung im Jahr 1875 war Münster mit nahezu 22.000 Einwohnern die am dichtesten besiedelte Stadt Westfalens.
Entdeckungen auf kleinstem Raum
Für die Stadtarchäologie bedeutet dies, dass es nur wenige Bereiche gibt, in denen sich Besiedlung und Nutzung des Bodens über viele Jahrhunderte auf großer Fläche zurückverfolgen lässt. Zwischen Kellern, Bombentrichtern und Leitungsgräben sind oft nur winzige Ausschnitte einer historischen Stratigrafie (Schichtenfolge) erkennbar.
Baubegleitende archäologische Untersuchungen im Rahmen des Straßen- und Leitungsbaus finden in engen Gräben vielfach unter großem Zeitdruck statt. Dennoch erweitert jede Entdeckung unser Bild vom Leben, Arbeiten und Wohnen der Menschen in Münsters Vergangenheit.
Wandel in der Nachkriegszeit
Bei einem Grad der Zerstörung von etwa 91%, wie ihn Münster in der Zeit zwischen 1940 und 1945 erlitt, kann jedoch nicht mehr guten Gewissens von einer „Altstadt“ gesprochen werden, sodass wir hier lieber den Begriff „Stadtmitte“ verwenden möchten. Lediglich der Prinzipalmarkt wurde in historisierender Form wiederaufgebaut und erneut zur „guten Stube“ der Stadt, während in den übrigen Bereichen Neubauten mit zeitgenössischer, jedoch zumeist lokaltypischer Prägung entstanden. Aus den Trümmern wuchs in der Nachkriegszeit eine veränderte Stadt: Moderner, großzügiger und mit Platz für neue Großbauten für Verwaltung, Universität und Schulen. Vielfach wurden dabei Parzellen zusammengelegt oder ihre ursprünglichen Grenzen verändert. Vor dem Beginn von Ausgrabungen und Baustellenbeobachtungen müssen all diese Veränderungen recherchiert und in die Planungen mit einbezogen werden.
Vergangenheit unter dem Asphalt
Zu den Aufgaben der Neugestaltung nach dem Krieg gehörte auch, der zunehmenden Motorisierung Rechnung zu tragen. Der Ausbau und die Neuanlage von Straßen in der Stadtmitte überformten an zahlreichen Stellen alte Straßenverläufe und die Bebauung des Straßenrandes. In einigen Fällen durchkreuzen sie ehemalige Stadtquartiere und geben ihnen eine gänzlich neue Struktur. Oft kommen deshalb bei archäologischen Ausgrabungen oder bei Baustellenbeobachtungen unter den Straßen die Relikte älterer Häuser zum Vorschein. Ein Beispiel für die Neugestaltung eines Straßenverlaufs nach der nahezu vollständigen Kriegszerstörung des Wohnquartiers ist der westliche Teil der Universitätsstraße, der 1957 angelegt wurde: Er verläuft heute quer über das früher kleinteilig bebaute Stadtquartier zwischen Wilmergasse und der seitdem verschwundenen Hoppengasse zum Schlossplatz.
Neues Bauen für eine moderne Stadt
Seit den 1990er Jahren findet erneut eine Umgestaltung statt. Die Zunahme von Verkehr und die veränderten Bedürfnisse von Wohnen und Arbeiten erfordern neue Konzepte der Stadtgestaltung. Sie zeichnet sich einerseits in einer Verdichtung des Bestands, andererseits aber auch durch die Neugestaltung großer Flächen aus. Die dabei entstehenden, oft großformatigen Bodeneingriffe werden seit 2001 von der Stadtarchäologie Münster begleitet. Als Beispiele seien hier genannt die Neubebauung des ehemaligen Parkplatzes an der Stubengasse (2009), der Neubau der Diözesanbibliothek (2005), die Umgestaltung des Picassoplatzes (2009), der Neubau des Landesmuseums (2014), der Neubau von Wohn- und Geschäftshäusern am Alten Fischmarkt 2012 oder der Neubau der Gesamtschule Mitte 2018. Bei all diesen Vorhaben wurden vor Baubeginn großflächige Ausgrabungen durchgeführt. Bauten, die als Ergänzung und Erweiterung errichtet wurden und archäologische Maßnahmen bedingten, sind zum Beispiel das Philosophikum (2017) und der Bibliotheksbau im Innenhof des Fürstenberghauses (2016).
Literatur
Haunfelder, Bernd, Olliges, Ute (1994): Die Promenade in Münster. Vom Festungsring zum Grüngürtel. Bilder aus drei Jahrhunderten. Münster 1994.
Teuteberg, Hans-Jürgen (1994): Bevölkerungsentwicklungen und Eingemeindungen (1816–1945). In: Jakobi, Franz-Josef, Küster, Thomas: Geschichte der Stadt Münster. Bd. 2, Münster, 3. Aufl. 1994, S. 331–386.