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Funde
Schätze, Scherben und andere Glücksfälle
Bei einer Ausgrabung in der dicht besiedelten Innenstadt kommen in der Regel große Mengen an Funden zutage. Das Spektrum des Fundmaterials ist jedoch begrenzt, denn nicht Alles erhält sich im Boden: Während die Bruchstücke von Keramik, Stein, Metall, Knochen und Stuck die Zeit im Boden zumeist überstehen, vergehen die Gegenstände aus organischen Materialien wie Leder, Holz und pflanzlichen oder tierischen Fasern oft, ohne Spuren zu hinterlassen. Nur unter bestimmten Bedingungen wie eine feuchte oder extrem trockene und geschützte Lagerung erhalten sich Reste davon. Finden die Archäologinnen und Archäologen etwa Textilien, Schuhe oder hölzerne Gegenstände, ist das stets als großer Glücksfall zu werten. Für die Freilegung, Bergung und anschließende Konservierung bedeutet dies auch, dass sie mit besonderer Sorgfalt vorgehen müssen, um die empfindlichen Funde für die Zukunft zu erhalten.
Einige Gedanken über Müll
Unbrauchbar gewordener Hausrat wurde bis zum Aufkommen der regelmäßigen städtischen Müllabfuhr in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von den Bürgern selbst entsorgt. Gemeinsam mit übrigen Abfällen wurde alles entweder auf dem privaten Grundstück in Abfallgruben vergraben, in den Abort oder einfach auf die Straße geworfen. Jede Grube, sei es eine Fundamentgrube während eines Bauvorgangs, ein aufgegebener Brunnenschacht oder ein ebensolcher Keller, wurde zur Entsorgung von Hausmüll genutzt. Jahrhunderte später jedoch wird all dies zu archäologischem Fundgut.
In den Müll wanderten Dinge, die nicht mehr weiterverwendet werden konnten: Glas und Metall sammelten die Menschen zumeist ein, um es anschließend wieder zu etwas Neuem zu verarbeiten. Stoffreste aus Leinen, Nessel oder Hanf sammelten sie ab dem ausgehenden 14. bis in das 19. Jahrhundert hinein und stellten aus ihnen Papier her oder verwendeten sie als Hygieneartikel auf dem Abort. Holz konnte im Herdfeuer oder im Kamin verbrannt werden, Nahrungsmittelreste gab man den Schweinen oder, sofern es sich um pflanzliche Reste handelte, kompostierte sie. Dies alles wurde jedoch wenig konsequent gehandhabt, sodass manche der von uns ausgegrabenen Kloaken oder Abfallgruben ein breites Spektrum am Hausmüll enthalten. Für uns sind das aufschlussreiche „Schätze“, denn sie erzählen vom Leben der Menschen in unserer Stadt in vergangenen Zeiten.
Lebensstandard und Alltag
Das reiche Fundmaterial aus den Domherrenkurien sowie der Patrizier- und Adelshöfe des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit zeigen den hohen Lebensstandard der städtischen Führungsschicht: So sorgten aufwändig gestaltete Kachelöfen für behagliche Wärme, und den Wein trank man im 16. und 17. Jahrhundert aus hauchfeinen Gläsern „à la façon de Venice“.
Glas wird zumeist in vielen kleinen Stücken in einem stark angegriffenen Zustand gefunden. Vereinzelt haben die Archäologen jedoch das Glück, größere Teile von Gefäßen oder Fensterscheiben bergen zu können. Bis in die frühe Neuzeit hinein war der Besitz von Trinkgläsern ebenso Luxus wie die Verglasung von Fenstern: Nur die begüterten Bürger, die Adeligen und kirchliche Institutionen besaßen Gebäude mit bunten, oft bemalten Fensterscheiben.
Andere Funde zeugen vom Alltagsleben in der Stadt in seinen vielfältigen Facetten, wie etwa hölzernes oder bunt glasiertes keramisches Essgeschirr, Spielzeugfigürchen aus Ton, Murmeln oder Kochgeschirr. Mit tönernen Heiligenfigürchen wappnete sich der Städter gegen Krankheit und anderes Ungemach, und Münzen belegen die weit gespannten Handelsverbindungen der münsterschen Kaufleute.
Handwerk und Handel
Funde aus den Werkstätten verschiedener Handwerkszweige geben uns Einblicke in die Produktionsabläufe, etwa in die der Schmuck- und Textilherstellung, oder die Anfertigung der unterschiedlichsten Gebrauchsgegenstände wie Kämme oder Rosenkranzperlen aus Tierknochen. Hinweise auf die Verarbeitung von Buntmetall (Kupfer, Messing oder Bronze) fanden sich zum Beispiel an der Königsstraße und an der Windhorststraße.
Münzen gelangten entweder durch schlichtes Verlieren in den Boden oder wurden bewusst in größerer Anzahl vergraben und versteckt, um sie vor Diebstahl zu schützen. Kehrte der Eigentümer nicht wieder zu seinem Münzversteck zurück, weil er vielleicht infolge einer Krankheit oder einer bewaffneten Auseinandersetzung verstarb, gerieten die versteckten Münzen in Vergessenheit und werden zum Glücksfall für die Archäologen – zum Schatzfund.
Die folgenden Texte und Bilder mögen unseren Leserinnen und Lesern einen kleinen Eindruck von der Vielfalt archäologischen Fundmaterials geben. Zugleich möchten wir auch darüber berichten, wie wir beispielsweise die Datierung eines Befundes mithilfe des Fundmaterials eingrenzen können. Aus den Funden selbst erhalten wir wertvolle Informationen zur Herstellung und Nutzung von Gegenständen aus unterschiedlichen Materialien in der Vergangenheit.