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Zum Ersten Weltkrieg
Ehrenmal des 2. Westfälischen Feldartillerie-Regiments Nr. 22 - "Stehender Soldat", dazu: Steinbänke von Jenny Holzer
Standort
Im Schlossgarten
Lage im Stadtplan
Initiatoren
Traditionsverbände Artillerie-Regimenter (vor allem: Königlich-Preußisches 2. Westfälisches Feldartillerie-Regiment Nr. 22; II. Abteilung Reserve Feldartillerie Nr. 14; Landwehr-Feldartillerie Nr. 251, IV. Abteilung Artillerie-Regiment Nr. 260)
Gestalter
Bildhauer Alexander Frerichmann (1887-1960)
Gestaltung
Der dreigeteilte, sich verjüngender Sockel aus Sandstein ist ca. 3 m hoch und trägt als Bekrönungsfigur einen lebensgroßen Soldaten mit Stahlhelm, Uniform und Mantel. Die Figur stützt sich mit beiden Händen, das rechte Bein vorgestellt, auf ein Schwert.
Auf der Vorderseite des Sockels befinden sich ein von einem stilisierten Lorbeerkranz umgebenes Eisernes Kreuz und die Zahlen 1914 und 1918. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde zusätzlich eine Bronzetafel am Sockel angebracht.
Dass militärische Einheiten an die Traditionen anderer Einheiten anknüpfen, ist nicht unüblich. Hier schien die ebenfalls in Münster stationierte IV. Abteilung des Artillerie-Regiments 260 die Toten des Zweiten Weltkriegs in die Erinnerungsmotive für die Toten des Ersten Weltkriegs einordnen zu wollen. (Artikel "Ehrentafel am Denkmal enthüllt", in: Westfälische Nachrichten 4.11.1983)
Skulptur-Projekte 1987
Im Rahmen der Skulptur-Projekte in Münster stellte die Künstlerin Jenny Holzer (* 1950 in Gallipolis/Ohio, USA) einen Kranz von fünf beschrifteten Sandstein-Bänken um das Ehrenmal auf. Die Maße der Sandsteinbänke umfassen 35 x 152 x 15 cm. Auf den Bänken sind Texte eingemeißelt, die Kriegssituationen widerspiegeln. Zwei Bänke sind noch erhalten.
Einweihung
6. Mai 1923
Erinnerungsmotiv
Mit dem Kriegerdenkmal werden die "gefallenen Helden" geehrt. Es wird zu militärischer Pflichterfüllung und Opferwillen aufgerufen. Traditionelle, ehrende Intentionen verrät auch die Widmung der Stifter, also der Überlebenden des Regiments.
Gestaltung und Inschriften des Denkmals tragen revanchistische Züge. Es mahnt, nicht "zu entarten" und "Schwert und Ehre blank" zu halten, also den Kampf fortzusetzen und die Gefallenen so aufzuwerten. Die Enttäuschung über den verlorenen Krieg wird deutlich. Der Soldat steht nicht nur für die Gefallenen, sondern auch für den "Kämpfer", der Deutschland befreit. (Papenheim, S. 448)
Motiv Holzer-Skulptur
Die Holzer-Skulptur sollte einen Anreiz zur Aufmerksamkeit und zur Beschäftigung mit dem Ehrenmal bieten. Der Betrachter wird mit der englischsprachigen Inschrift: "No one ever knows what to do" in deutscher Übersetzung: "Wer weiß schon, was zu tun ist" konfrontiert.
Das Objekt der "Skulptur-Projekte in Münster" 1987 ergänzte das ältere Ehrenmal mit Schrift-Bänken zu einer Art Mahnmal. Die Inschrift widerspricht den Intentionen des Ehrenmals. Die englische Sprache ruft eine Distanz zum Ehrenmal und zu dessen rein deutschem Blickwinkel hervor.
Sie demonstriert zugleich einen kultursprachlich, national übergreifenden Horizont des zu erinnernden Krieges. Andererseits sorgt die Materialwahl, der Sandstein, für den Gesamteindruck, dass Ehrenmal und Bänke zusammengehören und ein mahnendes Ensemble bilden sollen.
- Weitere Informationen zu Jenny Holzers Beitrag für die Skulptur Projekte in Münster 1987
Öffentliche Wahrnehmung
Vor der offiziellen Einweihung lobte Dr. Uebe das Denkmal im Münsterischen Anzeiger vom 4.5.1923 als das schönste von Münster.
Zeitweise erfolgten Kranzniederlegungen am Denkmal.
November 1983: Anbringung einer Bronzetafel durch Ehemalige der IV. Abteilung des Artillerie-Regmients 260 (Wehrmachtseinheit) am Denkmalsockel
1987: kritische künstlerische Auseinandersetzung mit dem Denkmal durch Jenny Holzer
Inschrift
Vorderseite
1914 [-] 1918
Unseren gefallenen Kameraden / zum ehrenden Gedächtnis / Königl. Preußisches 2. westfälisches / Feldartillerieregiment Nr. 22
Darunter:
Ob auch alles um uns sank / lasst uns nicht entarten! / Haltet Schwert und Ehre blank! / Unsere Toten - Warten!
auf der linken Seite des Sockels
II. Abtlg. / Res. Feldartillerie Regiment No 14
auf der rechten Seite des Sockels
Landwehr / Feldartillerie Regiment Nr.251
Metalltafel am Sockelfuß
Unseren toten Kameraden / IV. Abteilung Artillerie-Regiment 260 / 1939 - 1944 [1983 wurde an dem Ehrenmal eine Ehrentafel zur Erinnerung an die Toten der IV. Abteilung des Artillerie-Regiments 260 (1939-1944) angebracht.]
Inschriften der zwei verbliebenen Steinbänke
Leute gehen zum Fluß, wo das Grün saftig und der Boden morastig ist, / um Gefangene zu erschießen in den Fluß zu werfen und zu versenken. / Die Schüsse töten Menschen, die immer hungrig waren. / Jemand hatte sie angeblich oder auch tatsächlich bei einem Anschlag / auf den Staat beobachtet. Jetzt treiben die Körper im Wasser, / ihr Anblick versetzt die Freunde in Angst oder in Wut.
Die Soldaten schießen auf rennende Frauen und auf Kinder, die sich / wegschleichen wollen. Sie jagen Mädchen, die sich in den Wänden / der Schluchten ducken, herunter. Sie erobern für Euch neues Land, / und manchmal tun sie, was sie wollen. Tote Männer sind keine Soldaten. / Bevor Soldaten sterben und wenn sie gestorben sind / fangen die Leute an zu schluchzen. Soldaten müssen sofort sterben / damit ihr verschont bleibt. (Deutsche Übersetzung)
Quellen und Literatur
Quellen
Zeitungsausschnittsammlung Nr. 79
Zeitungsartikel
Westfälische Nachrichten, 4.5.1923
Münstersche Zeitung, 7.5.1923 "Der Ehrentag der ehemaligen 22er"
Westfälische Nachrichten, 4.11.1983 "Ehrentafel am Denkmal enthüllt"
Literatur
- Ursula Uber: Freiplastiken in Münster, Münster 1977, S. 16 und 84
- Bildheft "Ehrenmale zum Gedenken der Kriegsopfer" hrsg. von der Top Bttr. 101 Münster im Nov. 1965
- J. Meyer zur Capellen, D. Winkelhaus-Elsing, Ch. Pielken, "Kunstraum Universität - Kunst an der Universität Münster", Münster (Rhema) 2002, S. 68f
- G. Jappe, "Rundgang Guide zu den Skulptur Projekten in Münster 1987" Münster 1987, S. 100f.
- Martin Papenheim, "Trauer und Propaganda" - eine Fallstudie zu Aussagen und Funktion von Kriegerdenkmälern. In: Franz-Josef Jakobi Hrsg., Stadtgesellschaft im Wandel. Untersuchungen zur Sozialgeschichte Münster im 19. und 20. Jahrhundert, Münster 1955, S. 421-481, S. 446ff.
- Klaus Bußmann und Kaspar König (Hg.), Skulptur-Projekte in Münster 1987, Köln 1987, S. 43.
- Kerngruppe 10.2 Friedensschule Münster, "... bereit, zu leiden und zu sterben ..."? Krieger denk-mal (nach)!, (Schülerwettbewerb Deutsche Geschichte 1992/93), [Münster 1993] [Signatur: 4 SAB 116]
- Max Theodor Kuchel, Das Kriegerdenkmal im Schloßgarten zu Münster. Aussehen des Denkmals, sowie die Geschichte der Truppen, von denen es erzählt, (Schülerwettbewerb Deutsche Geschichte 1992/93) [Münster] [1993], [4 SAB 113]
- Angeli C. F. Sachs, Neue Formen der Erinnerung. Zwei Mahnmale von Jenny Holzer und Sol LeWitt in Deutschland, kunsttexte.de 3/2002-2
- Ulla Siegert, Annette Tiemann und Simone Twiehaus, Jenny Holzer - fünf Bänke 1987, in: Hans Galen (Hg.), Zeitgenössische Skulptur im öffentlichen Raum, das Beispiel Münster, Ausstellungskatalog, Münster 1991, S. 82f.
- Ehrenmal / Mahnmal / Skulpturprojekte: Mahnung und Reflexion (Stehender Soldat mit ergänzenden Bänken, Münster 1923 / 1987). In: Arnold Vogt, Krieg und Gewalt in der Denkmalskunst (= Westfalen im Bild, Reihe: Kulturdenkmale in Westfalen, Heft 10), Münster 1994Hans Galen (Hg.), Zeitgenössische Skulptur im öffentlichen Raum, das Beispiel Münster, Ausstellungskatalog, Münster 1991, S. 82f.
- Das Denkmal des 2. Westfälischen Feldartillerie-Regiments Nr. 22. Ein stehender Soldat ruft zur Revanche auf, in: Michael Bieber, Alexandra Bloch-Pfister, Sabeth Goldemann, Sabine Kittel (Hgg.), Kriegerdenkmäler in der Friedensstadt – Münsteraner Erinnerungsorte? Münster 2018, S. 77-86.