Seiteninhalt
Zum Ersten Weltkrieg
Traindenkmal (Königlich Preußische Westfälische Train-Abteilung Nr. 7)
Standort
Grünanlagen der Promenade am Ludgeriplatz (Nordwestseite)
Lage im Stadtplan
Initiator
Traditionsverein Königlich Westfälische Train-Abteilung Nr. 7 (militärische Versorgungseinheit)
Gestalter
Bildhauer Franz Rüther, Entwurf Architekt A. Buchs
Gestaltung
Das Traindenkmal ist ein etwa sechs Meter hohes nonfiguratives, obeliskenartiges, sich nach oben hin verbreiterndes steinernes Kriegerehrenmal. Es hat kontrastisierende, nach unten verschlankende trapezförmige Einschnitte auf allen vier Seiten mit Gravuren und Beschriftungen. Die Symbole des Reichsadlers, des Eisernen Kreuzes und des Soldatenhelmes sind über den Einschnitten zu finden. Vor und hinter dem Denkmal befindet sich je eine pultartig angebrachte Bronzeplatte (99 x 79 cm) mit Inschriften.
Einweihung
4. und 5. Juli 1925
Erinnerungsmotiv
Das Traindenkmal verkörpert die heroisierende Erinnerung an vor allem im Ersten Weltkrieg gefallene Soldaten der in Münster stationierten Einheit. Die Erinnerung an ihre militärischen Leistungen und an ihren "heldenhaften" Tod, ihren Opfertod, wurden in den Vordergrund gestellt. So sollte es zur nachträglichen Sinnstiftung ihres Todes kommen. Die Symbolik des Denkmals trägt nationalistische und militaristische Züge.
In späteren Debatten über das Denkmal wird auf den Inhalt der beiden Bronzeplatten verwiesen. Deren Inschriften erinnern zum einen an ein Mitglied der Trainabteilung, das in China während der Niederschlagung des Boxeraufstandes starb, sowie an zwei Train-Soldaten, die in Deutsch-Südwestafrika 1905/06 bei der blutigen Niederschlagung von Aufständen der Hereros und der Namas gegen die deutsche Kolonialmacht ums Leben gekommen sind.
Die Hauptfunktion des Denkmals zur Zeit seiner Einweihung als Erinnerung an gefallene Train-Soldaten im Ersten Weltkrieg verlor durch die Widmungen der Bronzeplatten im Laufe der Zeit erheblich an Bedeutung. Das koloniale Bewusstsein, dass das Denkmal damit ausdrückt, rückte in den Vordergrund.
Geschichtlicher Hintergrund
Der Standort des Westfälischen Train-Bataillons Nr. 7 war von 1853 bis 1918 Münster. Die Kasernen des Bataillons befanden sich zwischen der Weißenburgstraße und der heutigen Habichtshöhe im Geistviertel sowie auf dem Gelände des heutigen Südparks im Südviertel.
Das Traindenkmal erinnert an 855 gefallene Soldaten der Königlichen Trainabteilung Nr. 7 im Ersten Weltkrieg. Das Denkmal entstand während der durch die Folgen des Ersten Weltkrieges belasteten Anfangsjahre der Weimarer Republik.
Soldaten der Einheit waren auch am Boxeraufstand in China 1901 und am Kolonialkrieg im ehemaligen Deutsch-Südwest-Afrika 1904-1906 beteiligt. Die nachträglich installierten Bronzeplatten erinnern an ein Mitglied der Trainabteilung, das in China während der Niederschlagung des Boxeraufstandes starb, sowie an zwei Train-Soldaten, die in Deutsch-Südwest-Afrika 1905/06 bei der Niederschlagung von Aufständen der Hereros und der Namas gegen die deutsche Kolonialmacht ums Leben gekommen sind. Nur Freiwillige der Train-Abteilung nahmen an diesen militärischen Aktionen teil, nicht die gesamte Einheit.
Diese Einsätze im heutigen Namibia bezeichnete die UNO schon 1948 als Völkermord und die deutsche Bundesregierung übernahm diese Einschätzung 2015. Denn zwischen 1904 und 1908 trieben die deutschen Kolonialtruppen unter Leitung von Generalleutnant Lothar von Trotha zehntausende Hereros in die wasserlose Wüste Omaheke und nahmen ihre vollständige Vernichtung in Kauf. Dabei starben mehrere zehntausend Hereros. Die konkrete Rolle der dabei zu Tode gekommenen Train-Angehörigen ist nicht bekannt. (Vgl. Alexandra Bloch-Pfister, Das Train-Denkmal – Ort gegensätzlicher Gedenk-Traditionen, in: Dies., Michael Bieber, Sabeth Goldemann, Sabine Kittel (Hgg.), Kriegerdenkmäler in der Friedensstadt – Münsteraner Erinnerungsorte? Münster 2018, S. 22-32, hier S. 25f.)
In den Einweihungsreden 1925 wird nicht auf die drei in den Kolonien gefallenen Soldaten und die Bronzeplatten hingewiesen, sondern nur auf die im Weltkrieg gefallenen Soldaten.
Während der Einweihung des Denkmals im Juli 1925 schlugen die Festredner aus Militär und Stadtgesellschaft revisionistische Töne an: So wünschte sich der Vorsitzende des Denkmalausschusses die "Stunde […], da unser Volk nach langer Schandenacht sich wieder erhebt, […] da wieder stahlbehelmte Kolonnen zur neuen Wacht am Rhein ziehen und unsere Nachkommen wieder hocherhobenen Hauptes vor die Denkmäler unserer Toten treten können." (Auszug aus dem Westfälischen Merkur vom 6.7.1925)
-
Zu den Aufständen der Herero und Nama
(Wikipedia, letzter Aufruf 18.3.2019) - Weitere Informationen zur Geschichte des Train-Denkmals auf der Website "Koloniale Räume" des Stadtarchivs
Öffentliche Wahrnehmung
Das Traindenkmal bot mehrfach Anlass zur Diskussion und war Ziel politischer Aktionsveranstaltungen. Die Hauptkritik richtete sich auf die fehlende Erinnerung an die Opfer des Kolonialismus in den ehemals deutschen Kolonien. Dies belegen verschiedene Aktionen am Denkmal:
9. Dezember 1982
Verhüllung des Denkmals mit der Aufschrift "Dieses Denkmal ist ein Schandmal" durch die Dritte-Welt-Gruppe AKAFRIK (Arbeitskreis Afrika). Auszug aus dem Inhalt eines Flugblatts: "Wer weiß schon in unserer Stadt, daß damals, für Volk und Kaiser in der Kolonie ein Völkermord begangen wurde, der seine Fortsetzung, in allerschrecklichstem Ausmaß, im Völkermord an den Juden im Nationalsozialismus fand?"
Im Anschluss erfolgte ein Antrag an die Stadt zur Anbringung einer zusätzlichen Mahntafel am Denkmal mit dem Hinweis auf den Völkermord der Deutschen an den Herero und Nama in Deutsch-Südwestafrika.
Der Antrag wurde abgelehnt. Begründung: "Die bestehenden älteren Kriegerdenkmäler sollten nicht verändert und nicht durch Zusatztafeln mit Inschriften aus der Sicht des Jahres 1983 modifiziert werden." Die Denkmäler seien selbst historische Zeugnisse aus vergangener Zeit; sie sollten sich unverändert dem Urteil der Geschichte stellen.
Zeitungsartikel zur Akafrik-Mahntafel zur Erinnerung an den "Völkermord unter deutscher Kolonialherrschaft in Namibia" (WN 13.10.1984)
April 1984
Da die Genehmigung im Februar 1983 versagt wurde, "unternahm der Arbeitskreis vor kurzem einen zweiten Anlauf: Er überreichte die Mahntafel mit eingemeißeltem Gedenkspruch der Stadt Münster als Geschenk". (WN, 13.10.1984) Die Mahntafel sei "als Beitrag zu einer ehrlichen Geschichtsbewältigung notwendig".
Ein Bürger- und Ratsantrag der Grünen-Alternativen Liste (GAL) forderte eine dauerhafte Aufstellung der Tafel am Denkmal. Zur Begründung hieß es: "Wo wird der Opfer der deutschen Kolonialherrschaft, dieses ersten Völkermords in diesem Jahrhundert gedacht? Wenn die Geschichte die Möglichkeit zum Lernen geben soll, so kann sie es nur, wenn aufrichtig mit ihr umgegangen wird, das heißt in diesem Fall, daß der Völkermord der Deutschen im ehemaligen Deutsch-Südwestafrika aufgezeigt und die Schuld daran eingestanden werden muß."
Darauf folgte eine intensive Diskussion um den Begriff Völkermord. Schließlich kam es zu einem Kompromissvorschlag der Stadtverwaltung: Eine Mahntafel sollte am Zwinger aufgestellt werden mit folgender Inschrift: "Wir gedenken der Opfer unter deutscher Kolonialherrschaft in Afrika." Dies wiederum lehnten AKAFRIK und GAL ab.
Die Mahntafel wurde in Folge nicht wieder aufgestellt, sondern in einem städtischen Gebäude eingelagert und bei Sanierungs- und Räumarbeiten 2019 wieder aufgefunden.
Ende 1985
Durchführung einer Podiumsdiskussion mit Historikerinnen und Historikern sowie Kommunalpolitikerinnen und Politikern über Sinn und Zweck der geplanten Gedenktafel
2009
Die SPD-Fraktion in der BV Mitte stellte den Antrag "Ergänzende Gedenktafeln an der Nord- und Südseite des Traindenkmals am Ludgeriplatz" aufzustellen.
2010
Installation einer Ergänzungstafel, die den Bedeutungswandel des Denkmals dokumentiert.
2016
Antrag Ratsfraktion DIE LINKE: Münsters Kriegerdenkmäler kritisch aufarbeiten!
2017
In der unmittelbaren Nachbarschaft des Traindenkmals steht während der Skulptur.Projekte das Kunstwerk von Lara Favaretto
Erneute Verhüllung des Traindenkmals
Anregung der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), Regional Gruppe Münster, zur kritischen Auseinandersetzung mit Denkmälern im öffentlichen Raum
2018
Antrag BV Mitte: Fraktion Bündnis 90/Die Grünen/GAL, CDU-Fraktion und SPD-Fraktion "Train-Denkmal – Konzept für den zukünftigen Umgang mit diesem und anderen Denkmälern."
2020, 24. Juni
Der Rat der Stadt stimmte der Vorlage des Stadtarchivs V/0275/2020: "Umsetzung des Konzepts zum zukünftigen Umgang mit Kriegerdenkmalen im öffentlichen Raum der Promenade in der Stadt Münster".
Der Beschlussvorschlag sieht in Punkt 1c vor: "die Hervorhebung des Traindenkmals und seiner besonderen erinnerungspolitischen Bedeutung durch die Verlegung der Gedenktafel des Arbeitskreises Afrika (AKAFRIK) von 1984 umzusetzen und einen Vorschlag zu entwickeln, das Traindenkmal zeitweise als Ort des Diskurses über den Umgang mit Kriegerdenkmalen zu installieren."
Der Beschlussvorschlag zum zukünftigen Umgang mit Kriegerdenkmalen findet sich unter Tagesordnungspunkt 39 der Sitzung des Rates am 24. Juni 2020
Inschrift vorne
(Nordseite)
Die / Königl. / Westfäl. / Train- / Abt. No. 7 / ihren im / Kriege 1914-18 / Gefallenen / Helden
Inschrift links
(Ostseite)
Es / gibt kein / Wort für / das Opfer / zu danken / es gibt keinen / Dank für die / die da sanken / für uns.
Inschrift rechts
(Westseite)
Sie / gaben / ihr alles ihr Leben / ihr Blut / sie gaben / es hin mit / heiligem Mut / für uns.
Inschrift hinten
(Südseite)
Für König und / Vaterland / starben / 855 Offiziere, / Sanitäts- und / Veterinäroffiz. / Heeresbeamte / Unteroffiziere / und / Mannschaften
Inschrift der Bronzeplatte
(Westseite)
Westf. Train Bataillon No. 7 / Es starb den Heldentod / für Kaiser und Reich / in China 1901 / Trainsoldat / Karl Adami II. Komp.
Inschrift der Bronzetafel
(Ostseite)
Westf. Train Bataillon No. 7 / Es starb den Heldentod / für Kaiser und Reich in Deutsch-Südwestafrika / 1905-1906 Sergeant / Gustav Durchholz 3. Komp. / Gefreiter / Otto Chemnitz / 3. Komp.
Inschrift der AKAFRIK- Mahntafel von 1984
Wir gedenken / der Opfer / des Völkermordes / unter Deutscher / Kolonialherrschaft / in Namibia
Inschrift Ergänzungstafel von 2010
Traindenkmal / Den Opfern zur Erinnerung - / den Lebenden zur Mahnung
Diese Großstele wurde am 4. Juli 1925 vom Traditionsverein der ehemaligen / Trainabteilung Nr. 7 zum Gedenken an ihre gefallenen Kameraden errichtet. / 1928 wurden zusätzlich zwei Gedenktafeln neben dem Kriegerdenkmal angebracht. / Sie erinnern an drei gefallene Soldaten, die in deutschen Kolonialkriegen in China / und Deutsch-Südwest-Afrika gefallen sind. / Wir gedenken auch der zehntausenden Toten der unterdrückten Völker. / Im heutigen Namibia wurden viele Hererofamilien in die Wüste gezwungen, / wo sie elend zu Grunde gingen. / Von der Heldenverehrungen zum Opfergedenken.
Quellen und Literatur
Quellen Stadtarchiv
Zeitungsausschnittsammlung Nr. 79.3
Handschrift Nr. 20: Chronik der Stadt Münster 1899-1905
Stadtregistratur Fach 155 Nr. 49, Bd. II
Stadtregistratur Fach 174, Nr. 1 (Anlage von Speziallisten für den Mobilmachungsfall über Mannschaften für den Garnison-, Train- und Handwerkerdienst sowie über verfügbare Ersatztruppen)
Stadtblatt / Knipperdolling & Ultimo, 3.Jg., Nr. 1, Ausgabe Januar 1983
Stadtblatt / Knipperdolling & Ultimo, 3.Jg., Nr. 6, Ausgabe März/April 1983
Fotosammlung Nr. 2809, 2810, 2811, 4466 und 4727
Kriegschronik Münster 1914-1918 (Eduard Schulte), Einträge vom 3.10.1914 und 12.7.1915
Zeitungsartikel
Münsterischer Anzeiger, 4.5.1923
Münsterischer Anzeiger, 5.7.1925 (Einweihung)
Westfälischer Merkur, 6.7.1925 (Einweihung)
Westfälische Nachrichten, 4.11.1983
Münstersche Zeitung, 7.9.1984
Westfälische Nachrichten, 20.11.1989
Zeitung "Draußen", September 2007
Westflälische Nachrichten, 2.8.2018
Literatur
- Ursula Uber: Freiplastiken in Münster, Münster 1977, S. 17 und 91
- Kerngruppe 10.2 Friedensschule Münster, "... bereit, zu leiden und zu sterben ..."? Krieger denk-mal (nach)!, [Münster], [1993] (Schülerwettbewerb Deutsche Geschichte 1992/93, Denkmal: Erinnerung, Mahnung, Ärgernis), [Signatur: 4 SAB 116]
- Markus Schmitz, Kriegerdenkmäler, Mahn- und Ehrenmale in Münster - Vorstudie zum Wettbewerbsthema 1992/93 'Denkmäler - Erinnnerte und vergessene Geschichte vor Ort, Münster 1994
- Erik Vogel, Das Train-Denkmal in Münster. Die Geschichte eines Denkmals im Wandel der Zeit, unveröff. Hausarbeit, 2006
- Artikel über die Herero-Hottentotten-Aufstände in der ehemaligen Kolonie Deutschsüdwestafrika aus dem "Lexikon der deutschen Geschichte"
- Birgit Langenscheid und Viktoria von Schönfeldt, Das Freiherr-von-Ketteler-Denkmal in Münster. Hintergründe - Entstehung - Wirkungen.
- Lennart Neumann und Benjamin Kuhnke, Kriegerdenkmäler im Wandel der Zeit (Geschichtswettbewerb um den Preis des Bundespräsidenten 2008/2009: Helden, verehrt - verkannt - vergessen), Münster 2009. [Signatur: 4 SAB 757]
- Alexandra Bloch Pfister, Das Train-Denkmal - Ort gegensätzlicher Gedenk-Traditionen, in: Michael Bieber, u.a. (Hrsg.), Kriegerdenkmäler in der Friedensstadt. Münsteraner Erinnerungsorte?, Münster 2018, S. 22-32.