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Bürgerstadt
Städtisches Wohnen durch die Zeiten
Münster war seit dem Hochmittelalter eine blühende Stadt mit europaweiten Handelsverbindungen, vielfältigen Handwerkszweigen und ausgeprägten urbanen Strukturen.
Zahlreiche Ausgrabungen der Stadtarchäologie erfassten seit 2001 auch städtische Wohnquartiere, sowohl Adelshöfe und Häuser der Oberschicht als auch die beengten Behausungen der weniger begüterten Bewohner der Stadt. Zu den Glücksfällen für die münsterschen Archäologen zählen sicherlich die Ausgrabungen am Alten Steinweg (2008), am Alten Fischmarkt (2010), an der benachbarten „Asche“ (2009) und an der Königsstraße (2005–2007). Jedoch auch die kleineren Ausgrabungen wie z. B. an der Windhorststraße (2006) und an der Grünen Gasse (2008) erbrachten bemerkenswerte Ergebnisse. Ihre Auswertungen dürfen mit Spannung erwartet werden. Gleiches gilt auch für die 1998 vom Westfälischen Museum für Archäologie (heute LWL-Archäologie für Westfalen) durchgeführten Ausgrabungen an der Hörster Straße, deren Veröffentlichung bereits angekündigt ist.
Bevölkerungswachstum im 12. Jahrhundert
Doch schon jetzt lässt sich die Entwicklung einzelner Siedlungsbereiche Münsters seit dem Hochmittelalter skizzieren. Die Stadt wuchs im 12. Jahrhundert rasant: Schon allein die Tatsache, dass innerhalb kürzester Zeit drei neue Pfarrkirchen zur seelsorgerischen Betreuung der Bevölkerung entstanden, zeugt davon. Die Dynamik der Entwicklung zeigt sich auch in der wachsenden Befunddichte und Fundmenge, die in vielen Ausgrabungen für diese Epoche zu verzeichnen ist.
Auch der Bau der Stadtbefestigung, die in den Jahrzehnten vor 1200 in einem Abstand von 200 bis 300 Metern zur Domburg angelegt wurde, trägt dieser Entwicklung Rechnung. Die in Münster vielerorts schon seit dem ausgehenden 12. Jahrhundert gepflasterten Straßen sprechen für ein hohes Verkehrsaufkommen. Wasserbaumaßnahmen, die sich aus den Schriftquellen erschließen und im archäologischen Befund nachweisen lassen, belegen die wirtschaftliche Kraft der Kommune. Ihr Wohlstand zeigt sich auch in den vermehrt auftretenden Steingebäuden und - vor allem in den jüngeren Epochen der Stadtgeschichte - in der Qualität des Fundgutes.
Die Erschließung des Stadtraums im Hochmittelalter
Wie sich der Aufsiedlungsprozess abspielte, der nicht nur vom Bischof gesteuert, sondern von den führenden Familien der Stadtgesellschaft, den begüterten Kaufleuten, mitgestaltet wurde, ist nur in Teilen geklärt. Die großflächigen Ausgrabungen im Süden der Altstadt, die bereits ausgewertet sind, geben zumindest für dieses Stadtquartier eine Vorstellung davon.
Am Beginn der Entwicklung stehen an der Königsstraße zwei Großgrundstücke, die seit dem Ende des 11. Jahrhunderts nun nicht mehr landwirtschaftlich genutzt, sondern im Verlauf des 12. Jahrhunderts mit einer größeren Hofanlage bebaut wurden. Sie bestand aus einem repräsentativ ausgestatteten Hauptgebäude, Nebengebäuden, einem Brunnen und Flächen, auf denen Handwerk betrieben wurde. Die Bewohner waren wohlhabend und lassen sich vermutlich als Ministeriale, bischöfliche Verwaltungsbeamte, identifizieren. Ein hier gefundener Stachelsporn aus dem 12. Jahrhundert kann als Hinweis auf ihre gehobene gesellschaftliche Position interpretiert werden.
Verdichtung und Wandel der Bebauung im Spätmittelalter
Bis zum Ende des 14. Jahrhunderts blieben die Grundstücke an der Königsstraße nur locker bebaut. Erst im 15. Jahrhundert ist hier – wie anderenorts in Westfalen auch – eine deutlich steigende Bautätigkeit zu verzeichnen. Die Grundstücke wurden geteilt, ihre Bebauung rückte direkt an den Straßenrand heran, der dann am Ende dieses Jahrhunderts lückenlos und auch mit giebelständigen Bürgerhäusern bebaut war. Handwerk wurde auf den Grundstücken nun nicht mehr getrieben. Eine ähnliche Entwicklung lässt sich in den Grabungen an der Stubengasse nachweisen. Dort wurde noch im 13. Jahrhundert ein großes, in der Bauweise eher ländlich anmutendes Pfostengebäude errichtet, das bis zu Beginn des 14. Jahrhunderts bestand. Zu dieser Zeit gab es hier noch große Freiflächen, auf denen Abfälle und Tierkadaver entsorgt wurden.
Literatur
Austermann, Mathias (im Druck): Die Stadt Münster. Ausgrabungen an der Königsstraße. Denkmalpflege und Forschung in Westfalen Bd. 41/3
Dickers, Aurelia: Systematische Ausgrabungen vor jedem Bauvorhaben: Stadtarchäologie in Münster. Stadtarchäologie in Deutschland und in Russland – ein Vergleich. Berliner Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte Bd. 23, 2019