Seiteninhalt
Domburg und Domkloster
Frühe Forschungen
Die frühesten Schriftquellen legten für den Bischofssitz „Mimigernaford“ nahe, dass es um 800 n. Chr. eine Kirche und ein „ansehnliches Kloster“ gegeben haben musste, die von dem Missionar und späteren Bischof Liudger bei einer älteren Siedlung gegründet wurden.
Zahlreiche Ausgrabungen auf dem Domplatz bei den Wiederaufbauarbeiten in der Nachkriegszeit konzentrierten sich vor allem auf die Erforschung dieses Gründungsensembles. Aus den aufgefundenen Resten wurden nordöstlich des Doms die karolingische Klosteranlage und südlich von ihm die ursprüngliche, bereits vor der Missionierung vorhandene „Sachsensiedlung“ Mimigernaford mit einer umlaufenden Befestigung rekonstruiert.
Neue Erkenntnisse zu Kloster und Siedlung
Eine Neubewertung von Grabungsunterlagen und Fundmaterial von 2000 bis 2004 führte jedoch zu anderen Ergebnissen: Nur wenige Befunde konnten sicher dem karolingischen Kloster zugewiesen werden, sodass dessen Erscheinungsbild weiterhin lückenhaft bleibt. Die zahlreichen, auf dem Domplatz dokumentierten Siedlungsreste konnten in einen späteren Zeitraum, in das ausgehende 8., das 9. und 10. Jahrhundert, datiert werden und entstanden folglich im Zusammenhang mit der Missionierung seit 793 und der Zeit danach. Die Befestigung der Domburg mit holzverstärktem Erdwall und Graben wurde erst in der Zeit um 900 n. Chr. errichtet.
Ausgrabungen auf dem Domplatz seit 2001
So waren die Ausgrabungen der Stadtarchäologie im Bereich des Domplatzes seit 2001 auch von der Fragstellung nach neuen Ergebnissen zur Gründungsgeschichte Münsters begleitet.
Weitere Siedlungsreste, besonders Grubenhäuser des 9. bis 11. Jahrhunderts, wurden hier bei fast allen Ausgrabungen und Baustellenbeobachtungen nachgewiesen, zuletzt 2013 und 2014 auf dem Gelände des Fürstenberghauses und des Philosophikums. Die Besiedlung im Inneren der ehemaligen Domburg müssen wir uns nun nach neueren Erkenntnissen deutlich dichter vorstellen als zuvor angenommen. Sie war geprägt von zahlreichen Webhütten, den sogenannten Grubenhäusern, Wohnhäusern von Handwerkern und Händlern sowie kleinen landwirtschaftlichen Nutzbauten.
Die Befestigung der Domburg
Wie durch ältere Ausgrabungen belegt, war die frühmittelalterliche Domburg Mimigernaford durch eine Befestigung aus Graben, Wall und hölzerner Palisade geschützt. Die Palisade wurde spätestens im 12. Jahrhundert durch eine Mauer ersetzt. 2011 konnte am Geologisch-Paläontologischen Museum ein Stück des westlichen Domburggrabens erfasst werden, 2013 auch am Philosophikum. Dort wurden zwei aufeinander folgende Gräben dokumentiert, die auf eine Erweiterung der Domburg nach Westen schließen lassen.
Der Graben an der Ostseite von Mimigernaford, zu den heutigen Straßenzügen Prinzipalmarkt und Roggenmarkt hin, wurde verschiedentlich schon bei den Wiederaufbauarbeiten nach dem Zweiten Weltkrieg in den 1950er und 1960er Jahren dokumentiert.
Aktuelle Ausgrabungen und neue Ergebnisse
2019 legten Mitarbeiter der Stadtarchäologie ein weiteres, wenn auch nur kleines Teilstück der Befestigung bei Ausgrabungen im Keller eines Hauses am Roggenmarkt frei. Hier gelang es, die Abfolge der Befestigungsgräben bis zur Aufgabe der alten Domburggrenze im 12. Jahrhundert zu verfolgen: Dem ersten Graben aus dem 9. Jahrhundert folgten zwei weitere im 10. und 11./12. Jahrhundert. Am Ende des 12. Jahrhunderts hatte sich die Stadt durch einen raschen Anstieg der Bevölkerung stark vergrößert und war weit über die Grenzen der Domburg hinausgewachsen. Die neue Stadtmauer entstand. Nun war die alte Befestigung um die Domburg überflüssig, ihr Graben wurde zugeschüttet und in seiner Mitte ließ der Fürstbischof am Ende des 13. Jahrhunderts die Immunitätsmauer errichten.