Seiteninhalt
Vorgeschichte
Spuren der Vorgeschichte im Stadtgebiet von Münster
Die ältesten Relikte, die bei unseren Ausgrabungen gefunden werden, stammen zumeist aus der Vorgeschichte. Dazu zählen wir jene Zeitabschnitte, aus denen es keine schriftlichen Nachrichten zu einer Region und ihrer Bewohner gibt:
- Die Steinzeit, untergliedert in die Altsteinzeit (Paläolithikum, in Europa ca. 200 000 bis ca. 9000 v. Chr.), die mittlere Steinzeit (Mesolithikum, ca. 9000 bis ca. 5500 v. Chr.) und die Jungsteinzeit (Neolithikum, ca. 5500 bis ca. 2200 v. Chr.);
- die Metallzeiten, die wir als Bronzezeit (ca. 2200 bis ca. 750 v. Chr.), vorrömische Eisenzeit (ca. 750 bis ca. um Christi Geb.) und römische Kaiserzeit (bis in das 4. Jh. n. Chr.) bezeichnen.
Im Stadtgebiet von Münster sind zahlreiche vorgeschichtliche Fundstellen und Bodendenkmäler bekannt, die sich vorwiegend an den hochwassergeschützten Gebieten im direkten Umfeld der Flussläufe und Bäche (Werse, Ems, Aa, Gievenbach, Kinderbach, Meckelbach u. a.) konzentrieren.
Besonders reich an Bodendenkmälern ist Handorf: Der Bereich zwischen Werse und Ems nördlich von Münster wurde bereits in der Jungsteinzeit aufgesiedelt. Bis heute wird er landwirtschaftlich genutzt. Von großräumigen Flurbereinigungen ebenso wenig betroffen wie von modernen Überbauungen sind hier jahrtausendealte Strukturen im Boden erhalten geblieben. Ähnliches gilt auch für den ländlichen Raum im Südwesten von Münster um Mecklenbeck.
Artefakte geben Auskunft über Jäger und Sammler
Als Anhaltspunkt für das erste Auftreten von Jägern und Sammlern kann das Ende der letzten Eiszeit dienen, denn bis vor ungefähr 12 000 Jahren dehnten sich die eiszeitlichen Gletscher bis in das Münsterland aus. Erst mit dem allmählichen Rückgang des Eises und der Erwärmung des Klimas war es den Menschen in der späten Altsteinzeit (ca. 12 000 bis 9000 v. Chr.) und der nachfolgenden mittleren Steinzeit möglich, auf der Suche nach Jagdwild, Nüssen, Samen und Früchten weiter nach Norden vorzudringen. Wir gehen davon aus, dass sie in kleinen Gruppen durch die Region zogen und für kurze Zeit an günstigen Plätzen ihr Lager aufschlugen.
Aus beiden Zeitstellungen sind keine Siedlungsspuren, sondern nur Artefakte erhalten, die Auskunft über die Anwesenheit dieser Gruppen geben: Werkzeuge, Halbfabrikate, Rohmaterialien und Abfälle der Steingeräteherstellung aus Feuerstein. Einige hundert Artefakte eines mesolithischen Fundhorizontes aus der Zeit um ca. 7000 v. Chr. wurden in Handorf entdeckt. Hinzu kommen Opfergaben aus den Flüssen, wie etwa Geweihäxte.
Vorgeschichtliche Bauernhöfe
Seit der Jungsteinzeit ließen sich die Menschen dauerhaft an siedlungsgünstigen Plätzen nieder, um Ackerbau und Viehzucht zu betreiben. Für die Archäologinnen und Archäologen heißt das: Sie finden Siedlungsspuren dieser Zeitstufe in Form von Hausgrundrissen größerer Pfostenbauten oder landwirtschaftlicher Nebengebäude aus Holz. So wurden zum Beispiel bei den Ausgrabungen 2007 in Handorf-Dorbaum Reste eines Hauses aus der mittleren Bronzezeit (ca. 1300 bis ca. 1600 v. Chr.) gefunden. Die Menschen in der Eisenzeit (ab ca. 800 v. Chr. bis um Christi Geburt) schienen eine besondere Beziehung zu ihren Häusern besessen zu haben: Eine Grube, die in der Nähe der Wallburg Haskenau bei Handorf freigelegt wurde, enthielt die verbrannten Überreste eines Hauses und Teile seines Inventars in Form mehrerer Keramikgefäße, die hier offenbar rituell „bestattet“ worden waren. Auch aus anderen Ausgrabungen in Westfalen sind derartige Befunde bekannt, so dass wir hier von einem regionalen Brauchtum sprechen können.
Gräberfelder und Hügelgräber
In der Zeit des Übergangs von der Jungsteinzeit zur frühen Bronzezeit (um 2000 v. Chr.) bis in die ältere römische Kaiserzeit (von der Zeit um Christi Geburt bis ca. 150 n. Chr.) kommt eine weitere, sehr eindrucksvolle Befundgruppe hinzu: Große Gräberfelder, die über lange Zeit belegt wurden und oft über eine Fläche von mehreren Hektar reichen. Hier sind vor allem das Gebiet der Hohen Ward in Hiltrup, das Umfeld der mittelalterlichen Wallburg Haskenau sowie der Truppenübungsplatz in Handorf zu nennen. Diese Areale zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie in großen Teilen nicht durch jüngere Bodeneingriffe wie Gebäude oder Straßen- bzw. Wasserbau überprägt sind. Einige der ehemals großen Grabhügel sind noch heute im Gelände zu sehen. Andere, wie die ehemals sehr großen, in Mecklenbeck und Handorf ausgegrabenen Hügelgräber, wurden durch landwirtschaftliche Bearbeitung überpflügt und eingeebnet.
Vorgeschichtliches aus dem Stadtkern
Im Bereich der Innenstadt von Münster treten bei den Ausgrabungen immer wieder vorgeschichtliche Funde zutage. Die entsprechenden Befunde wurden jedoch in den meisten Fällen durch die dichte, oft tief reichende Bebauung der Innenstadt im Mittelalter und in der frühen Neuzeit überformt, so dass lediglich Reste im Boden verblieben. Nur selten gelingt es, daraus vollständige Strukturen wie Häuser, Gräben oder Zäune zu rekonstruieren.
Bei Ausgrabungen der Stadtarchäologie sowohl am Domplatz 2008 als auch an der Windhorststraße 2006 konnten neben eisenzeitlichen und kaiserzeitlichen Funden auch Siedlungsspuren dokumentiert werden. Hier lebten Bauern, deren Höfe in Form von Pfostengruben und Siedlungsschichten, Funden von zerscherbter Keramik und vereinzelten Metall- und Glasfunden nachweisbar sind. Bei den Ausgrabungen an der Windhorststraße gelang es, eine vorgeschichtliche Siedlungsschicht nach dem Fund einer Münze des römischen Herrschers Crispus (gestorben 326 n. Chr.) sicher in das vierte Jahrhundert zu datieren.
Literatur
Fischer, Lukas (2014): Archäologische Funde unter der Fritz-Stricker-Straße in Münster, Archäologie in Westfalen-Lippe 2013, Langenweißbach 2014, S. 64-66
Holtfester, Ulrich (2010): Vom Altpaläolitikum bis in die römische Kaiserzeit: Siedlungsplatz und Gräberfeld von Münster-Handorf. In: Th. Otten/H. Hellenkemper /J. Kunow/ M. Rind: Fundgeschichten - Archäologie in Nordrhein-Westfalen: Ausstellung Köln, 19. März bis 14. November 2010; Ausstellung Herne, 16. April 2011 bis 20. November 2011. Mainz 2010, S. 5-7