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Kriegsgräberstätten
Ehrenfriedhof für sowjetische Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter Handorf-Dorbaum
Standort
Stadtteil Handorf-Dorbaum. Die Kriegsgräberstätte befindet sich auf dem Truppenübungsgelände Dorbaum. Die Zugänglichkeit ist eingeschränkt. Sie liegt 750 Meter Luftline nördlich des Hauses Verth 1, im Gebiet eines Ems-Altarms.
Lage im Stadtplan
Gestaltung
Die umzäunte Kriegsgräberstätte umfasst eine Grünfläche mit einer an der Rückseite mittig aufgestellten Natursteinstele mit Inschrift. Aus dem Ende der 1940er Jahre existiert ein kleiner Gedenkstein mit kyrillischer Inschrift. Ein gepflasterter Weg führt zur Gedenkstele.
Betreuung
Stadt Münster
Einweihung
Die heutige Kriegsgräberstätte entstand 1956 und wurde 1965 neu gestaltet.
Erinnerungsmotiv
Das Kriegsgräberstätte sichert ein dauerndes Ruherecht für umgekommene Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter aus der ehemaligen Sowjetunion zu. Die Zahlen schwanken zwischen 150 und über 200 Toten. Es existieren keine Einzelgräber, sondern nur eine eingeebnete Grabfläche.
Geschichtlicher Hintergrund
Zweiter Weltkrieg, Kriegsgefangenschaft und Zwangsarbeit sowjetischer Soldaten
Zwangsarbeit war im nationalsozialistischen Deutschland ein Massenphänomen. Betroffen waren Kriegsgefangene und Zivilpersonen. Zwangsarbeit lief nicht im Geheimen, sie war ein öffentliches Verbrechen. Dieses Verbrechen betraf Polen und Bürger der ehemaligen Sowjetunion in besonders schwerer Weise. Von dort verschleppten die deutschen Besatzer zwischen 1941 und 1945 Millionen von Männern, Frauen und Kindern zur Zwangsarbeit ins Deutsche Reich. Sowjetische Kriegsgefangene im Reich mussten zunächst für die Wehrmacht und danach in der Industrie "bei völliger Isolierung in geschlossenen Kolonnen" Zwangsarbeit verrichten. Im Spätherbst 1941 regelte ein Erlass Hitlers den Großeinsatz sowjetischer Kriegsgefangener für die Bedürfnisse der Kriegswirtschaft.
Auch in Münster und Umgebung existierten verschiedene Lager für Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, die oft unter unmenschlichen Bedingungen leben und arbeiten mussten. Viele starben und wurden hier begraben.
Auf dem Ehrenfriedhof in Handorf-Dorbaum liegt eine größere Anzahl namenlos begrabener Zwangsarbeiter. Auf der Natursteinstele des Ehrenfriedhofs ist die Anzahl von 150 Toten angegeben. Es ist davon auszugehen, dass mehr Tote hier ihre letzte Ruhestätte gefunden haben. Bei den Toten handelt es sich um Insassen sowjetischer Kriegsgefangenenlager in Handorf, über die es nur wenige Informationen gibt.
Eine in Privatbesitz befindliche Chronik des Fliegerhorstes Handorf erlaubt den Rückschluss auf ein Lager. Die Chronik fasst "Veränderungen in der militärischen Belegung des [Fliegerhorstes Handorf] Horstes im 3. Kriegsjahr" 1942 zusammen. Es wird von Auflösungen von Luftwaffen-Bau-Stamm-Abteilungen und ihren Abmärschen berichtet: Abmarsch am 28. April 1942 mit '170 Russen'; Abmarsch des Wachzugs der Luftwaffe für das Kriegsgefangenen Lager 17 mit '593 Russen'; Abmarsch am 22. Mai 1942 nach Rheine mit '15 Russen' aus der Unterkunft in Dorbaum. Zusammen waren also mindestens 778 sowjetische Kriegsgefangene in diesem Lager, die beschäftigt waren mit Erdarbeiten an der Betonstartbahn.
Ein Schreiben des Staatlichen Gesundheitsamtes des Landkreises Münster bestätigt dieses Lager am 1. Mai 1942 und stellt fest, dass auch der "Platz für Beerdigung verstorbener Russen geprüft wurde."
Aus diesem Kriegsgefangenenlager sind von Ulrich Ehrhardt in Kooperation mit der Stiftung Sächsischer Gedenkstätten und der Dokumentationsstätte Stukenbrock- Senne 207 Verstorbene an Hand der Einträge auf Personalkarten ermittelt worden. Da jedoch die Luftwaffen-Bau-Abteilung 20 in Handorf und auch in Rheine stationiert war, kann man nicht für alle Verstorbenen die Kriegsgräberstätte Dorbaum als Gräbnisort vermuten. Mindestens 44 sind nachweislich in Rheine, Friedhof Königsesch, begraben worden. Der Umkehrschluss, dass die restlichen durch Personalkarten belegten und namentlich bekannten Personen wirklich auf dem Ehrenfriedhof Handorf-Dorbaum beerdigt sind, ist leider so nicht möglich.
Ein weiteres sowjetisches Kriegsgefangenenlager befand sich 1943 in der Nähe des Hofes der Familie Meyer. Die Insassen mussten auf den Fliegerhorst Handorf-Hornheide arbeiten. Es war im März 1943 schon angelegt und im September 1944 weitgehend schon wieder aufgegeben. In dem Lager herrschten sehr schlechte Zustände. Die Todesrate lag bei 40 bis 50 %. Nach 1945 wurden die Reste des Lagers beseitigt. Das Gefangenenlager ist durch ein Luftbild vom April 1943 dokumentiert. (Schwarze, Gefangen in Münster, S. 75) Das Bild zeigt vier kleinere und zwei längere Baracken innerhalb einer Umzäunung. Über die Gefangenen heißt es: "Barbarisch waren die Umstände des sowjetischen Kriegsgefangenenlagers." Ein Zeitzeuge sprach von 'Todgeweihten'. Die Zählung der auf dem Luftbild erkennbaren Gräber beläuft sich auf die Anzahl von 108, wobei bei vielen von Gemeinschaftsgräbern ausgegangen werden muss. Die meisten Begrabenen starben aufgrund der schlechten Lebensbedingungen, durch Gewalt oder infolge unmenschlicher Arbeitsbedingungen. Namentlich bekannt sind sie nicht. Da bis heute die organisatorische Zugehörigkeit dieser zweiten Gruppe von sowjetischen Kriegsgefangenen nicht feststeht, können auch keine personenbezogenen Angaben zu ihren Toten ermittelt werden.
Nach dem Krieg gab ein Polizeigendarm dem Amtsbürgermeister von St. Mauritz am 23.11.1945 an: "Gräber russischer Kriegsgefangener auf dem Truppenübungsplatz Dorbaum in der Nähe der Emsbrücke. Anzahl: 108" (Amt St. Mauritz Nr. 238) Am 12.12.1945 wird noch vermerkt, dass die Gräber zum Teil mit einem Kreuz versehen, jedoch ohne Namen sind. Die Zahl der Toten wurde anfangs mit 108 angegeben, ab 1948 erfolgt die Angabe "150 Russen - genaue Anzahl kann nicht angegeben werden, da Gräber eingeebnet sind." Schon Anfang 1946 gab es Pläne zur Errichtung eines Denkmals für die Handorf-Dorbaum beerdigten angeblich 150 russischen Kriegsgefangenen, initiiert durch den Offizier Major Lawrowski.
Öffentliche Wahrnehmung
Anfang 1960er Jahre: Veränderung des Totengedenkens nach Novellierung des Gräbergesetzes, die das dauernde Ruherecht für ausländische Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter beinhaltete. Hatte zur Folge, dass ein Umbau des Ehrengräberfeldes Handorf-Dorbaum vorgenommen wurde. In den Folgejahren kamen immer wieder Aufforderungen, den Ehrenfriedhof gestalterisch aufzuwerten und zu erforschen. Regelmäßig werden Kränze niedergelegt.
Inschrift
In deutscher und kyrillischer Schrift:
Hier ruhen 150 Sowjet- / bürger, die in deutscher / Gefangenenschaft in der / Zeit von 1941 - 1945 / verstorben sind. / Auch ihr Tod / ist uns Verpflichtung / zum Frieden.
Quellen und Literatur
Stadtarchiv Münster, Stadtgeschichtliche Dokumentation:
Nr. 317 [nur PDF - Original in Privatbesitz]
Nr. 588: Chronik des Fliegerhorstes Handorf, 2013 [Verfasser: Willy Schäfers]
Zeitungsartikel
Münstersche Zeitung, 12.11.1994
Literatur
- Bildheft "Ehrenmale zum Gedenken der Kriegsopfer" hrsg. von der Top Bttr. 101 Münster im Nov. 1965
- Gisela Schwarze, "Gefangen in Münster" Kleine Schriften aus dem Stadtarchiv Münster (Kleine Schriften aus dem Stadtarchiv Münster 4), Essen 1999, S. 74 und 76
- Hans Galen u. a., Ausstellungskatalog "Münster 800 - 1800, 100 Jahre Geschichte der Stadt", Münster (Stadtmuseum) 1984, S. 51
- Gerda Richartz, "Wider das Vergessen", Zeitungsbericht in "WIR"
- Werner Dobelmann, "Handorf Gestern und Heute", Münster 1974, S. 88ff.