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Erinnern nach 1945
Gedenkstein Synagoge
Standort
Klosterstraße 9 (ab 1949 zur Promenade hin, 1985 Versetzung zur Straßenseite der Synagoge)
Lage im Stadtplan
Initiator
Architekt Franz Wucherpfennig. Die Umsetzung seines Vorschlags, eine Gedenktafel zur Erinnerung an die zerstörte Synagoge zu verlegen, wird am 29. September 1947 einstimmig vom "Kleinen Rat" (heute: Hauptausschuss) beschlossen.
Gestalter
Entwurf: Oberbaurat Edmund Scharf (Städtisches Baupflegeamt), Anfertigung: Carl Korber
Gestaltung
Rechteckiger, im Hochformat aufgestellter Stein (Höhe: 2 Meter) aus Muschelkalk mit Inschrift
Einweihung
29. Mai 1949
Erinnerungsmotiv
Laut Schreiben der Stadtverwaltung Münster von 1947: Erinnerungszeichen und Mahnmal.
Der Gedenkstein erinnert in erster Linie an die in der Pogromnacht 9.-10.11.1938 zerstörte Synagoge.
In seinem Vorschlag für den Gedenkstein formuliert Franz Wucherpfennig am 22.9.1947:
"In einigen Wochen jährt sich wiederum der Tag des 9. November 1938, an welchem das deutsche Volk durch die Zerstörung der jüdischen Gotteshäuser eine Kulturschande grossen Ausmasses auf sich geladen hat. Ich bin der Auffassung, dass wir unseren jüdischen Mitbürgern für diese Untag bisher keine Genugtuung geleistet haben und sie auch nicht leisten können. Wohl aber sollten wir vor allem unserer Jugend, welche diese Tat noch nicht abzuschätzen wusste, wie auch allen anderen durch ein äusseres Zeichen des Bedauerns zu erkennen geben, dass wir uns von dieser Tat ganz distanzieren."
Geschichtlicher Hintergrund
Diskriminierung und Verfolgung von Juden durch die Nationalsozialisten
In der Nacht vom 8. auf den 9. November 1938 drangen SA-Mitglieder in die Synagoge ein, zerschlugen das Mobiliar und steckten das Innere der Synagoge in Brand. Das Gebäude wurde sehr stark beschädigt. Die Gottesdienste fanden seither im Betsaal der Marks-Haindorf-Stiftung statt. Nach Kriegsbeginn 1939 wurden die Synagogenreste gänzlich weggeräumt und ein Feuerlöschteich angelegt. Nach dem Zweiten Weltkrieg bedeckten Schuttmassen das Synagogengrundstück.
In den 1950er Jahren wurde der Gesamtschaden auf ca. 225.000 DM beziffert. Das Wiedergutmachungsverfahren endete 1959 mit der Rückerstattung des Synagogengrundstücks an die Jüdische Kultusgemeinde Münster.
Am 15. Mai 1960 wurde an alter Stätte, Klosterstraße 8/9, der Grundstein für einen Neubau gelegt. Unter der Leitung des Architekten Helmut Goldschmidt entstand ein eingeschossiger, um einen Innenhof angeordneter Neubau, der am 12. März 1961 eingeweiht wurde.
Im Vorraum der Synagoge stellte die jüdische Gemeinde einen Gedenkstein mit den Namen der im Ersten Weltkrieg gefallenen Gemeindemitglieder sowie eine Gedenktafel zur Erinnerung an die während des Holocaust umgekommenen Gemeindemitglieder auf. Inschrift: "Wenn meinen Schmerz man wiegen könnte und auf die Waage legen meine Qual gesamt so wär sie schwerer als der Meeressand. Hiob VI, 2-3. Den Märtyrern unserer Gemeinde 1933-1945."
Öffentliche Wahrnehmung
Der Beschluss zur Verlegung der Tafel erfolgte im September 1947. Die Prüfung einer kurzfristigen Umsetzung ergab, dass dies zum 9. November 1947 aufgrund des Zustandes des Grundstückes nicht möglich war. Der Platz war mit Schuttmassen belegt und das Hauptgleis der Trümmerbahn durchschnitt quer das Gelände. Vor allem müsse über die Verwendung des Grundstückes entschieden werden. Der "Kleine Rat" beschloss am 6. Oktober 1947, zunächst nur die Absicht zur Verlegung in der Presse zur veröffentlichen. Die Grundstücksräumung verzögerte sich. Die Einweihung des Gedenksteins fand erst 1949 statt.
1.12.1955: Beschädigung des Gedenksteins durch Beschmierungen mit Hakenkreuzen, die auch nach mehrmaligen Reinigungsversuchen immer wieder durchschienen. Erst nach Intervention der Jüdischen Kultusgemeinde erfolgte eine grundlegende Maßnahme. Am 7.5.1956 beschloss der Hauptausschusses die Abmontierung und Neubearbeitung des Gedenksteins.
1983: Instandsetzung
1985: Instandsetzung der Inschrift und Umsetzung zur Klosterstraße
1997: Überarbeitung der Inschrift
Inschrift
Laut Vorschlag des Architekten Franz Wucherpfennig von 1947:
Hier stand das / Gotteshaus der Jüdischen Ge- / meinde unserer / Stadt Münster. / Es wurde am / 9. November 1938 / ein Opfer des / Rassenwahnes. Von der Gemein- / de, die 1938 noch / 430 Mitglieder / zählte, blieben / nur 20 am Leben. / Den Toten zum / ehrenden Geden- / ken, den Lebenden / zur Mahnung. / 9. November 1948 / Die Stadt / Münster Westf.
Quellen und Literatur
Quellen
Protokoll des Kleinen Rates vom 29.9.1947 und 6.10.1947
Westfälische Nachrichten, 26.10.1983
Westfälische Nachrichten, 10.11.1984
Westfälische Nachrichten, 7.3.1985
Münstersche Zeitung, 29.6.1985
Akte Amt für Immobilienmanagement
Literatur
Die Geschichte der Judenverfolgung und die Biographien der betroffenen Personen sind intensiv erforscht worden. Die Ergebnisse liegen in drei Publikationen von Gisela Möllenhoff und Rita Schlautmann-Overmeyer vor:
- Biographisches Lexikon: Jüdische Familien in Münster 1918-1945, Münster 1995
- Teil 2,1. Abhandlungen und Dokumente 1918-1935, Münster 1998
- Teil 2,2. Abhandlungen und Dokumente 1935-1945, Münster 2001