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Erinnern nach 2000
Initiator
Freundeskreis Kurt Gerstein. Auf Initivative der SPD-Fraktion entschied der Haupt- und Finanzausschuss im Juni 2001, einen Betrag 2000 Euro für die Gedenktafel bereit zu stellen.
Gestaltung
Bronzetafel
Einweihung
20. Juni 2005
Erinnerungsmotiv
Die Gedenktafel erinnert an Kurt Gerstein, der zwar SS-Offizier war und trotzdem im Rahmen seiner Möglichkeiten Widerstand leistete.
['Die These, ein SS-Offizier sei ein Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime gewesen, verlangt nach einer breiten Auseinandersetzung sowohl mit der Person Gerstein, als auch mit dem Zeitgeist der deutschen Bevölkerung, der bis vor den ersten Weltkrieg zurückreicht. Es gestaltet sich schwierig den Widerstand eines SS-Offiziers öffentlich zu würdigen, ohne gleichzeitig im Detail zu erläutern, dass es einen solchen Widerstand tatsächlich gegeben hat und wie er im Kontext anderer Widerstandsformen einzuordnen ist.' Bernd Hey]
Geschichtlicher Hintergrund
Kurt Gerstein
- Lebensdaten: geboren am 11. August 1905 in Münster/Westfalen, gestorben in französischem Militärgefängnis am 25. Juli 1945
- Vater: Landgerichtspräsident
- Jugend in verschiedenen Städten: 1905-1911 Münster, 1911-1919 Saarbrücken, 1919-1921 Halberstadt und 1921-1925 Neuruppin (Abitur)
- Mitgliedschaften: protestantische Jugendbewegung, CVJM, Schülerbibelkreise
- Bergbau-Studium in Aachen, Marburg und Berlin
- Juli 1931: Abschluss des Studiums als Diplom-Ingenieur
- bis 1935 Ausbildung zum Bergassessor
- Mai 1933: Mitglied der NSDAP, auch aus beruflichen Gründen
- Teilnahme am Kirchenkampf
- ab Oktober 1933: Leitung der Schülerbibelkreise
- Ende 1933: Protest gegen die Übernahme der evangelischen Jugend in die HJ,
- 1935: Gerstein wird verprügelt, nachdem er gegen atheistisches Gedankengut eines 'neugermanischen' Theaterstückes protestiert hat.
- 1936: Mitglied "Bekennende Kirche", vorübergehende Verhaftung durch Geheime Staatspolizei, Ausschluss aus der NSDAP und Entlassung aus dem Staatsdienst
- Protest gegen Ausschluss aus der NSDAP, Umwandlung in die etwas "ehrenvollere" Entlassung aus der NSDAP
- Einsicht in die grundlegende Gottferne von Ideologie und NS-Staat
1941 trat er in die SS ein. Als Motiv gibt er an: "... auf jeden Fall den Versuch zu machen, in diese Öfen und Kammern hineinzuschauen um zu wissen, was dort geschieht". Was er in der SS erlebte, führte ihn dann zu einem verdeckten, aber aktiven Widerstand, den er bis zum Schluss durchhielt.
Gerstein war Chef der Abteilung Gesundheitstechnik des Hygiene-Instituts der Waffen-SS und beauftragt mit der Beschaffung des Giftgases Zyklon B. Er wurde Zeuge von Massenvergasungen. Er informierte auf der anderen Seite ausländische Diplomaten sowie hohe kirchliche Würdenträger über die Verbrechen in den Vernichtungslagern.
Gerstein sah für sich einen speziellen Sabotage-Auftrag und machte Versuche, Zyklon-B-Lieferungen umzuleiten, unschädlich zu machen und zu sabotieren, die kirchliche Opposition und das Ausland zu alarmieren. Dabei tat er weiter Dienst in der SS. Die Tarnung als "Spion Gottes" (französischer Biograph Joffroy), hat er während des ganzen Krieges durchgehalten. Andererseits trug er auch zur Stabilisierung des NS-Staates bei. Dies war jedoch im Prinzip die Voraussetzung für seine Untergrundtätigkeit. Bei Kriegsende erfolgte seine Internierung durch französische Truppen in Rottweil.
Peter Steinbach nennt Gerstein "den Einzeltäter im Dilemma des exemplarischen Handelns".
Bei der Einschätzung seines Widerstandes erschweren Widersprüche in Person und Zeit ein angemessenes Urteil. Angemessen erscheint ein prozessualer Widerstandsbegriff.
Quelle: Prof. Dr. Bernd Hey
Öffentliche Wahrnehmung
- 17. August 1950: Ablehnung der Rehabilitierung "des Nazis Gerstein" durch die Entnazifizierungs-Spruchkammer in Tübingen
- 1965: Ende erste Phase der Rehabilitierung
- 1995: Gründung eines "Kurt Gerstein Förderkreis" in Berchum
- 7. April 2000: Eröffnung der Wanderausstellung "Kurt Gerstein - Widerstand in SS-Uniform" in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin
Bis heute ist ein endgültiger Abschluss der Rehabilitierung nicht erfolgt.
Quelle: Prof. Dr. Bernd Hey
Inschrift
Geburtshaus Kurt Gerstein (1905-1945) / Kurt Gerstein, geboren am 11.08.1905 / in Münster verlebte hier seine Kindheit / bis 1911. Als evangelischer Christ wurde / er in der NS-Zeit führendes Mitglied der / Schülerbibelkreise und der Bekennenden / Kirche. Er trat später als "Spion Gottes" / der SS bei und versuchte, die Weltöffent- / lichkeit über den Holocaust zu informieren. / Er starb 1945 in französischer Haft.