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Dom
Ausgrabungen im Dom und im Bereich des Domklosters
Der Dom zu Münster mit seinen Bestandteilen und Anbauten aus dem 12. bis 20. Jahrhundert ist das markante Wahrzeichen der Altstadt. In ihrer heutigen Gestalt ist die Bischofskirche bereits das dritte Gotteshaus an dieser Stelle, und die Erforschung seiner beiden Vorgängerbauten und seines Umfeldes beschäftigt Bauhistoriker und Archäologen bereits seit Langem. Eine ausgedehnte Flächengrabung war im Dom zu Münster bisher noch nicht möglich und es bestehen weiterhin viele Fragen zur Baugeschichte der ersten Dombauten. Einzelne Bereiche wurden im kriegszerstörten Dom durch den damaligen Diözesankonservator Theodor Wieschebrink untersucht, ebenso hatte er bereits 1936 einige Sondagen auf dem Domherrenfriedhof durchführen lassen. 1987 wurde vor dem Einbau der neuen Orgel der Innenraum des Johannes-Chors durch Manfred Schneider, LWL Archäologie, ergraben. Dabei konnten wichtige Erkenntnisse zum zweiten Dom des 11. Jahrhunderts gewonnen werden: Das für ihn stets angenommene Ostquerhaus hatte nie exisitiert.
Spurensuche rings um den Dom
Die obertägige Kennzeichnung des Refektoriums (Speisesaal) des Domklosters aus dem 10./11. Jahrhundert, ausgegraben 1975.
Im Zweiten Weltkrieg waren auch der Dom und sein unmittelbares Umfeld von schweren Zerstörungen betroffen. Während des Wiederaufbaus und der ersten Jahrzehnte nach dem Krieg wurden etliche Grundstücke am Horsteberg, die für eine Neubebauung vorgesehen waren, ebenso wie vereinzelte Bereiche des Domkreuzgangs archäologisch untersucht. Unter der Federführung des Archäologen Wilhelm Winkelmann wurden von 1958 bis 1975 auf verschiedenen Parzellen nordwestlich und nordöstlich des Kreuzgangs die Bauarbeiten archäologisch begleitet. Von 1978 bis 1981 leitet Winkelmanns Nachfolger, Philipp R. Hömberg die Ausgrabungen. Das Hauptaugenmerk der Ausgräber lag vor Allem auf der Lokalisierung der früh- und hochmittelalterlichen Klosterbauten und, im Nordwesten des Doms, des Bischofspalastes. Im Rahmen einer erneuten Auswertung aller Grabungsunterlagen fasste Alexandra Pesch die Ergebnisse abschließend 2005 zusammen.
Die „vetus ecclesia sancti Pauli“
Die Fundamente der Klosterkirche des frühen Domkapitels, in den Schriftquellen als vetus ecclesia sancti Pauli (alte Kirche des Hl. Paulus) bezeichnet, wurden in den Jahren 1987 bis 1989 durch die LWL-Archäologie für Westfalen unter der Leitung von Manfred Schneider auf dem Gelände des heutigen Domherrenfriedhofs ausgegraben. Es handelte sich um einen schlichten Saalbau mit einer Apsis als Chorabschluss. Im 12. Jahrhundert wurde er um einen rechteckigen Chor erweitert, mit Anbauten an seiner Nordseite und mit einem Gewölbe versehen. Bis zum Jahr 1377 bestanden der Dom und die kleine Saalkirche nebeneinander, ehe letztere für den Neubau des gotischen Kreuzgangs abgerissen wurde.
Darüber hinaus erkannte Manfred Schneider aus dem archäologischen Befund, dass dies nicht der erste Bau an dieser Stelle war, sondern dass zuvor hier eine sehr kleine Kapelle inmitten des ältesten Friedhofsbereichs des ausgehenden 8. und beginnenden 9. Jahrhunderts stand.
Die Ausgrabungen im Jahr 2012
Im Vorfeld der Erneuerung der Bischofsgruft und einer umfassenden Domrenovierung konnten 2012 an verschiedenen Stellen im Dom Ausgrabungen durch die Stadtarchäologie durchgeführt werden. Schwerpunkte der Untersuchungen waren dabei der Westchor, die südliche Turmkapelle sowie die Sakristei.
Unter dem Westchor wurden die bereits aus früheren Grabungen bekannten Fundamente seines älteren Vorgängers freigelegt, der wahrscheinlich zum sogenannten „Erpho-Dom“ des 11. Jahrhunderts gehörte. Noch älter waren Bauspuren, die mit einer bereits vermuteten Westkrypta im Zusammenhang stehen, sodass ihre Existenz nun als gesichert gilt. Lediglich der Rest eines Bodenniveaus wurde gefunden, doch lässt seine Tiefe im Vergleich zu den übrigen bekannten Domfußböden nur den Schluss zu, dass es sich um den Boden einer Krypta unter dem Westbau des Doms aus dem 9. oder 10. Jahrhundert handelt. Fragmente eines Marmorbodens geben Hinweise auf ihre hochwertige Ausstattung.
Grabfunde in der Kapelle des südlichen Turms
Unter der Kapelle im Südturm aus dem 12. Jahrhundert wurden ältere Gräber entdeckt, die zum ältesten Gemeindefriedhof des 9. und 10. Jahrhunderts am Dom gehörten.
Aus deutlich jüngerer Zeit kamen außergewöhnliche Funde in diesem Bereich zutage: Große Stücke Bergkristall wurden geborgen, die einer 1687 hier errichteten Heilig-Grab-Grotte zugeordnet werden konnten. In unmittelbarer Nähe wurde ein Grab freigelegt, bei dem es sich um das ihres Stifters, des Domherrn Johann Rotger von Torck (gest. 1686) handeln könnte. 1880 wurde die Heilig-Grab-Grotte entfernt.
Spannende Baubefunde in der Sakristei
In der 1885 errichteten Sakristei am östlichen Kreuzgangflügel wurden die Fundamentreste eines gewölbten Saalbaus entdeckt, der eine Verbindung zwischen dem um 1377 abgebrochenen, nordöstlich des Doms gelegenen Kreuzgang und dem Ostquerhaus bildete. Seine Errichtung steht im Zusammenhang mit dem Neubau des Doms im 13. Jahrhundert: Nach derzeitiger Erkenntnis diente er dazu, die Gebäude des älteren Klosters mit dem neuen Dom zu verbinden. Es ist nicht auszuschließen, dass sich dieser Verbindungsbau sogar bis zu der kleinen karolingischen Saalkirche unter dem heutigen Domherrenfriedhof erstreckte und sie mit einband. Aus den Bauspuren, die bei der Ausgrabung entdeckt wurden und sogar in den Wänden der Sakristei noch vorhandensind, ließ sich dieser Raum recht gut rekonstruieren. Sogar zwei seiner Zugänge mit belaufenen Türschwellen waren noch vorhanden, ebenso die Reste von Pfeilern und Gewölbevorlagen. Auf diesen Saalbau bezieht sich möglicherweise eine Schriftquelle, in der 1337 die Stiftung eines Elisabeth-Altars im „nyewerch“ erwähnt wird.
Literatur
Ellger, Olfried, Holtfester, Ulrich (2013): Viele Gräber und drei Chorbauten - Ausgrabungen im Westbau des Doms von Münster. In: Archäologie in Westfalen-Lippe 2012, Langenweißbach 2013, S. 93-97.
Ellger, Olfried, Holtfester, Ulrich (2012): Domkloster und Domkirche in Münster - eine komplexe Verbindung. In: Archäologie in Westfalen-Lippe 2012, Langenweißbach 2013, S. 95-99.
Lobbedey, Uwe (1993): Der Dom zu Münster 793 – 1945 – 1993. Denkmalpflege und Forschung in Westfalen 26, 2 Bände, Bonn 1993.
Pesch, Alexandra (2005): Der Dom zu Münster: Das Domkloster. Denkmalpflege und Forschung in Westfalen 26, Bd. 4, Mainz 2005.
Manfred Schneider: Die Stiftskirche „Alter Dom“ – Baubefunde und Baugeschichte auf dem Domherrenfriedhof. In: Manfred Schneider, Claudia Holze-Thier, Bernd Thier: Die Ausgrabungen auf dem Domherrenfriedhof von 1987 bis 1989. Der Dom zu Münster Bd. 5.1 (= Denkmalpflege und Forschung in Westfalen Bd. 26,5.1) Mainz 2011, S. 5.