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Asche
Die Ausgrabung der Straße Asche
Der kleine Straßenzug Asche, der zwischen der Stadtbücherei und dem Kiffe-Pavillon die Mauritzstraße mit dem Alten Steinweg verbindet, konnte im Sommer 2009 nahezu vollständig archäologisch erforscht werden. Er entstand in seinem heutigen Verlauf erst nach dem Zweiten Weltkrieg und führt über die ehemals bebaute Parzelle Alter Steinweg 14. Ursprünglich verlief die Straße Asche etwas weiter nördlich unter der heutigen Stadtbücherei.
In unmittelbarer Nähe hatten zuvor schon Ausgrabungen stattgefunden, an deren Ergebnisse die Stadtarchäologie im Jahr 2009 anknüpfen konnte: Von 1988 bis 1990 war der Standort der heutigen Stadtbücherei durch das Westfälische Museum für Archäologie (heute: LWL Archäologie für Westfalen) untersucht worden. Im Jahr 2008 wurden die weiter östlich gelegenen Parzellen am Alten Steinweg 17–21, heute Parkhaus, durch die Stadtarchäologie ausgegraben.
Der Buckshof: Eigentum über sechs Jahrhunderte
Die Schriftquellen zu diesem Grundstück setzen erst um 1435 ein und lassen darauf schließen, dass das Grundstück zu diesem Zeitpunkt aus zwei Parzellen bestand. Die in der Ausgrabung untersuchte Parzelle 14 gehörte um 1442 Hermann Kerckering, Mitglied einer münsterschen Erbmännerfamilie, während die benachbarte Parzelle 13 sich im Besitz der Eheleute van Bachem befand, die hier mit ihren Kindern lebten. Durch die Heirat der Hille Kerckering mit Goswin Buck gelangte Parzelle 14 im Jahr 1448 in den Besitz der Erbmännerfamilie Buck. Spätestens seit 1524 befand sich auch Parzelle 13 im Besitz von Mitgliedern der Familie Buck, die hier ein neues Haus errichtet hatten: Eine Schriftquelle aus diesem Jahr nennt auf dem Grundstück „ein altes, ein neues und ein kleines Haus“, das zu dem Zeitpunkt vermietet war.
1575 schließlich wurden beide Parzellen zusammengelegt. Das große Grundstück war bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts als „Buckshof“ oder „Heimsburger Hof“ bekannt, benannt nach dem Landsitz der Erbmännerfamilie Buck zu Heimsburg, eher er durch Heirat an die Familie von Beverförde zu Heimsburg ging. Bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein waren die Eigentümer stets Erben und nicht Käufer des Grundstücks, sodass die Familie Buck und ihre Nachfahren für mehr als 600 Jahre hier ansässig waren. Der Straßenzug Asche trug bis in das 18. Jahrhundert hinein die Bezeichnung „Buckstegge“, ehe er den Namen eines auf der anderen Seite der Mauritzstraße gelegenen Stadthofes „In der Asche“, vormals „Hof Brouwering“, erhielt.
Die Ansicht des Buckshofes im 17. Jahrhundert
1636 zeichnete Everard Alerdinck den berühmten und für die Topografie der Stadt Münster so wichtigen Stadtplan. Alerdinck trug auf den Parzellen 13 und 14 die damals stehenden Häuser des Buckshofes ein: zwei große Häuser, traufenständig entlang der Buckstegge/Asche mit Stufengiebeln zum Altem Steinweg und Mauritzstraße hin, die aneinander gebaut worden waren und später, nach einem Umbau um die Mitte des 18. Jahrhunderts, als ein einheitliches Gebäude erscheinen. Bei diesen beiden Hausteilen kann es sich um die in der Schriftquelle von 1524 erwähnten Häuser („alt“ und „neu“) handeln. Bis zur Kriegszerstörung 1944/1945 war dieses Gebäude vorhanden; Max Geisberg datierte 1934 seinen Ursprung in die Mitte des 16. Jahrhunderts. Möglicherweise bestand es sowohl aus dem Neubau des Jahres 1524 als auch einem später, vielleicht mit der Zusammenlegung der Parzellen 1575 errichteten Bau. Zum Alten Steinweg hin gab es ein kleineres Vordergebäude, und etwa im Zentrum des Grundstücks ein schmales längliches Haus im rechten Winkel zum großen Haupthaus angeordnet. Es müssen jedoch nicht alle zu diesem Grundstück gehörende Bauten im Alerdinckschen Plan eingezeichnet sein, denn auf die Wiedergabe von kleinsten Gebäuden wie Abtritten, Holzlagern oder Kleinviehstallungen wurde verzichtet.
Frühe Besiedlungsspuren im Hochmittelalter
Nach den Ergebnissen der Ausgrabung lagen die Anfänge der Nutzung von Parzelle 14 Früh- oder Hochmittelalter, als das Gelände wohl Bestandteil eines größeren Garten- oder Ackerlandes war. Vielleicht gehörte es zu dieser Zeit zu einer weiter östlich am Alten Steinweg unter den Parzellen 18-21 lokalisierten Hofstelle, die nachweislich seit der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts bewirtschaftet wurde.
Die aufgedeckten Spuren verrieten uns, dass im Hochmittelalter, vermutlich im 11. oder im beginnenden 12. Jahrhundert, mindestens ein Gebäude ungefähr in der Mitte des Grundstücks zwischen Altem Steinweg und Mauritzstraße stand. Reste seines Kellers konnten dokumentiert werden, dessen Fußboden mit Bruchsteinplatten ausgelegt war. Spatenspuren tief unten im Sand zeugen von gärtnerischen Tätigkeiten, vielleicht vom Anbau von Gemüse. Die Spuren eines Grubenhauses und der Fund eines Spinnwirtels aus Blei lassen auf die hauseigene Herstellung von Textilien schließen. Zumindest eine Wand des Grubenhauses bestand aus sorgfältig nebeneinander in ein zuvor ausgehobenes Gräbchen gesetzten Spaltbohlen – ein Befund, der sich klar im gelben Sand abzeichnete. Auch wurde wohl zu dieser Zeit mit der Anlage der Mauritzstraße die nördliche Grenze der Parzelle festgelegt.
Ein Neubeginn im 13. Jahrhundert
Eine maßgebliche Umgestaltung der Parzelle 14 konnten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtarchäologie für das 13. Jahrhundert dokumentieren, als das gesamte Gelände planiert und erneut bebaut wurde. Eine aufwändige Maßnahme für ein einzelnes Grundstück, so scheint es vordergründig, jedoch konnten auch an anderen Stellen in der ehemaligen Altstadt ähnliche Vorgänge in diesem Zeithorizont beobachtet werden. Offensichtlich wurde die Stadt um 1200 einem umfassenden Gestaltungsprozess unterzogen, in dessen Rahmen Straßen und Plätze angelegt, Gewässerverläufe angepasst und Geländebereiche zur besseren Nutzung abgeflacht wurden.
Auf dem Grundstück am Alten Steinweg 14 errichtete der Eigentümer in der Mitte des Grundstücks ein neues Haus, von dem jedoch lediglich Reste des Kellers, ein einfacher Erdkeller, gefunden wurde. In der nordöstlichen Ecke des Grundstücks wurde ein Brunnen angelegt, dessen Ring seine Erbauer sorgfältig aus Bruchsteinen setzten.
Der Ausbau der städtischen Infrastruktur seit der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts ließ sich auch am Alten Steinweg selbst nachvollziehen: Sowohl er als auch die Mauritzstraße erhielten im 12./13. Jahrhundert einen Straßenbelag aus unregelmäßig verlegten Bruchsteinen, Kieseln und Tierknochen. Die Eigentümer der Parzelle 14 grenzten sie nun mit Gräben zu den beiden Straßenzügen ab. Es ist jedoch nicht klar, ob es sich bereits zu diesem Zeitpunkt um eine oder bereits zwei Grundstücke handelte.
Der Stadthof im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit
Im 15. oder 16. Jahrhundert wurde ein Neubau an der Stelle des älteren Gebäudes mit dem Erdkeller errichtet, der nun mit einem Steinkeller bescheidenen Ausmaßes ausgerüstet war. Im 17. Jahrhundert erhielt der Keller einen Fußboden aus Sandsteinplatten. Ob das Haus mit dem auf dem Stadtplan des Everard Alerdinck dargestellten Gebäude in der Mitte des Grundstücks zu identifizieren ist, bleibt jedoch fraglich.
Für die Jahrhunderte des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit konnten die Archäologinnen und Archäologen zahlreiche Nutzungsspuren festhalten, die sich vor Allem in unterschiedlichen Gräben und teilweise tieferen, möglicherweise mit Flechtwerk befestigten Gruben zeigten. Sie zeugen von hauswerklichen Tätigkeiten, die sich jedoch nicht näher eingrenzen ließen und können mit der Erzeugung und Verarbeitung von Lebensmitteln ebenso im Zusammenhang stehen wie mit der von Textilien. Einige von ihnen sind jedoch auch als Latrinen anzusprechen, die zum Zeitpunkt ihrer Nutzung entweder in ein bestehendes Haus integriert oder mit einem kleinen Gebäude überbaut waren. Obertägige Bauten dieser Art wurden jedoch nicht erfasst.
Interessanterweise wurde sogar Buntmetall während eines kurzen Zeitraumes hier verarbeitet: Ein länglicher Graben sowie eine Laufschicht enthielten größere Mengen von Gusstropfen, die beim Abkühlen des Metalls nach dem Guss entstehen. Möglicherweise wurde hier ein größeres Werkstück nahe dem Ort seiner späteren Anbringung hergestellt.
Ein weiterer Brunnen, ähnlich wie der ältere in der Nordostecke aus Bruchsteinen gesetzt, wurde nahezu mittig auf dem Grundstück errichtet. Bis in das 19. Jahrhundert hinein muss er genutzt worden sein; vermutlich setzte man ihm im 16. Jahrhundert noch einen Brunnenrand aus Backstein auf. Zu den Straßen hin wurden im 14. oder 15. Jahrhundert anstelle der Gräben Parzellenmauern errichtet, die auf dem Stadtplan des Everard Alerdinck aus dem Jahr 1636 zu sehen sind.
Die Häuser Mauritzstraße 41 und 42
Auf dem hinteren Teil der Parzelle 14, der an die Mauritzstraße grenzte, wurden in der frühen Neuzeit zwei kleinere Hinterhäuser gebaut, deren Rückseite an die Parzellenmauer anschloss. Erst im ausgehenden 19. Jahrhundert wurden sie zur Mauritzstraße gezählt und erhielten die Hausnummern 41 (das südliche Haus) und 42. Das südliche der beiden Häuser Nr. 41 wurde möglicherweise im 17. Jahrhundert errichtet und integrierte den älteren Brunnen aus dem 13. Jahrhundert in seinen Keller. Später erhielt der Keller einen Holzboden, dessen Reste während der Ausgrabung dokumentiert werden konnten. Das nördliche Hinterhaus (Nr. 42), das nach Ausweis des Fundmaterials bereits im 16. Jahrhundert erbaut worden sein könnte, besaß nur einen sehr kleinen Keller, der mit Steinplatten ausgelegt war. Auf dem Stadtplan des Everard Alerdinck ist es nicht verzeichnet, da es möglicherweise zu dem Zeitpunkt zu klein war. Beide Gebäude waren bis zur Kriegszerstörung vorhanden und wurden zwischen 1839 und 1862 durch zwei weitere Hinterhäuser ergänzt.
Zu Beginn des 18. Jahrhunderts, möglicherweise um 1715, wurde der Teil des Grundstücks im Südosten, welcher das Haus mit dem älteren Brunnen enthielt (Nr. 41), offenbar an den neuen Nachbarn, den Herrn von der Reck zu Steinfurt verkauft. Bis 1722 ließ die Familie von der Reck auf Parzelle 15 einen großformatigen Stadthof errichten, zu dessen rückwärtigen Garten nun das Haus mit dem Brunnen gehörte. Eine archäologisch nachgewiesene Aus- oder Umbauphase des Hinterhauses im 18. Jahrhundert kann im Zusammenhang mit dem Besitzerwechsel angenommen werden.
„Alt-Münster“ an der Mauritzstraße
Nach dem zweiten Weltkrieg wurde die Mauritzstraße verbreitert, begradigt und die Asche auf die ehemalige Parzelle Alter Steinweg 14 verlegt. Ihre Einmündung in die Mauritzstraße zog sich so weit in den ehemaligen Straßenraum hinein, dass bei der Ausgrabung im Jahr 2009 der gegenüberliegende Straßenrand der Mauritzstraße mit den Ecken der Häuser 1 und 2 zutage kam. Wenn auch nur kleine Bereiche beider Häuser an der Grabungsgrenze untersucht werden konnten, so wurde doch der Rest eines Fußbodens aus Bruchsteinen und Backsteinen in Haus Nr. 1 aufgedeckt. Das Gebäude selbst stammte nach Ausweis der Funde aus der Baugrube aus dem 15. oder 16. Jahrhundert. Diese Datierung deckt sich mit dem erhaltenen Bildmaterial, das es zu diesem Haus gibt: Fotos aus der Zeit zwischen 1900 und 1930 zeigen ein schmales malerisches Fachwerkhaus mit einem weit auskragenden Obergeschoss, das auf den zeitgenössischen Postkarten auch mit dem Titel „Alt-Münster“ versehen wurde.
Literatur
Austermann, Mathias, Röber, Ralf (2020, im Druck): Die Ausgrabung des Straßenzugs „Asche“ im Jahr 2009. Ausgrabungen und Funde 16
Holtfester, Ulrich (2010): Ausgrabungen an der Asche in Münster. In: Ausgrabungen in Westfalen-Lippe 2009, Langenweißbach 2010, S. 108–111
Isenberg, Gabriele (1993): Die Asche-eine wechselhafte Karriere. In: B. Trier (Hrsg.), In der Asche lesen. Archäologische Spurensuche am Alten Steinweg. Münster 1993, 5-21
Isenberg, Gabriele (1993): Das Asche-Gelände am Alten Steinweg. Ergebnisse der archäologischen Untersuchungen 1988, Ausgrabungen und Funde in Westfalen-Lippe 8B, 1993, 171-182
Jakobi, Holger (2011): Mittelalterliche Straßen: Erkenntnisse aus dem Leitungsbau in Münster, Archäologie in Westfalen-Lippe 2010 (Langenweißbach 2011) 172-175
Kirchhoff, Karl-Heinz (1989): Der merkwürdige 600 Jahre alte Haus-Name „in der Asche“ an der Mauritzstraße. In: Westfälische Nachrichten am 29.08.1989, s. a.: Homepage des Vermessungs- und Katasteramts, Straßennamen
Kirchhoff, Karl-Heinz (1988): Die Erbmänner und ihre Höfe in Münster. Untersuchungen zur Sozial-Topographie einer Stadt im Mittelalter. In: K.-H. Kirchhoff, Forschungen zur Geschichte und Stift Münster. Ausgewählte Aufsätze und Schriftenverzeichnis. Warendorf 1988. 53-76
Klötzer, Ralf (2010): Häuserbuch der Stadt Münster. Alter Steinweg, Quellen und Forschungen zur Geschichte der Stadt Münster 20,4 (Münster 2010)
Thier, Bernd (2012): Bischofsstäbe aus Münster? Ein ungewöhnlicher mittelalterlicher Geweih-Nodus. In: Archäologie in Westfalen-Lippe 2011, Langenweißbach 2012, S. 111–114