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Domplatz 20-22
Die Ausgrabungen im Innenhof des Fürstenberghauses
Der Einbau eines Bibliothekstraktes im Innenhof des Fürstenberghauses, einem Vorlesungs- und Seminargebäude der Westfälischen Wilhelms-Universität, führte die Archäologen ab Juni 2014 mitten in die Keimzelle der Universität. Nach der schriftlichen Überlieferung befanden sich an dieser Stelle seit dem 13. Jahrhundert vier sogenannte Vikarienhäuser (Wohnstätten der Domgeistlichen), von denen zwei an der „Kappenberger Stiege“, dem späteren Jesuitengang, lagen. Mit der Ankunft der Jesuiten in Münster im Jahr 1588, die diesen Bereich für die Errichtung ihres Klosters erworben hatten, veränderte sich die Bebauung innerhalb der folgenden Jahrzehnte grundlegend. Während der Ausgrabung gelang es auch, Befunde freizulegen, die weit in die Zeit vor den Beginn der schriftlichen Überlieferung reichten und aus dem Früh- und Hochmittelalter stammten.
Die Jesuiten in Münster
Die durch den Fürstbischof Ernst von Bayern geförderte Niederlassung der Jesuiten stand im Zusammenhang mit der Gegenreformation im Fürstbistum Münster. Ihr Wirken war mit einem fest umrissenen Bildungsauftrag verbunden: Mit Predigten, missionarischen Tätigkeiten, Seelsorge und der Übernahme der ehemaligen Domschule, des Gymnasiums Paulinum, sollten die Gläubigen wieder dauerhaft für die katholische Kirche gewonnen werden. Das Jesuitenkolleg mit dem Gymnasium und der angeschlossenen Priesterausbildung entwickelte sich zu beachtlicher Größe, so dass im ausgehenden 16. Jahrhundert etwa 1120 Schüler und Studenten dort unterrichtet wurden. Nach der Auflösung des Kollegs 1773 wurden das Schulgebäude und die Kirche weiterhin vom Gymnasium Paulinum genutzt, während der näher zum Domplatz gelegene Kollegbau ab 1780 die neu gegründete Universität beherbergte. Bis zur Kriegszerstörung war er unter dem Namen „Alte Akademie“ Ort des Lernens und des Wissens. In den Jahren 1877 bis 1880 wurde weiter nördlich nach den Plänen des Architekten Hilger Hertel d. Ä. ein neues Gebäude errichtet, das „Neue Akademie“, nach 1902 auch „Universität“ genannt wurde.
Die Jesuiten-Patres bewohnten zu Beginn zwei der Vikarienhäuser und begannen nach dem Erwerb von zwei im Südwesten der Domburg gelegenen Höfe, „Garthus“ und „Marienfeld“, um 1590 mit der Errichtung der Schulgebäude und der Petrikirche. Zwischen 1608 und 1658 entstanden östlich davon die vier um einen Innenhof angeordneten Kolleggebäude. 1906/07 erfolgten größere Umbauten an dem inzwischen als Universitätsgebäude genutzten Baukomplex. Nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges ließ die Westfälische Wilhelms Universität hier ab 1953 das Fürstenberghaus errichten.
Die ergrabenen Befunde des Jesuitenkollegs
Im Innenhof des Fürstenberghauses stießen die Archäologinnen und Archäologen der Stadtarchäologie im nördlichen Bereich auf die Kellerfundamente des 1658 fertiggestellten Nordflügels des Jesuitenkollegs. Sie gehörten zu einem langgestreckten Keller, der in ostwestlicher Richtung mit einer Länge von 25 Metern und einer Breite von 6,20 Metern verlief und damit eine Gesamtfläche 155qm besaß. Seine Decke, von der ein Rest erhalten war, bildete ein Tonnengewölbe aus Backstein. Der Boden war mit einem grauen Estrich bedeckt und die Wände bestanden aus Bruchsteinschollen. Verschiedene Pfostengruben stammten möglicherweise von einem Gerüst.
Südlich der Kellerfundamente war auf einer Länge von 10 Metern das Pflaster des Innenhofs aus Riemchen und Kopfsteinen erhalten, das 1906/07 durch einen Wandelgang überbaut wurde. Reste der ehemaligen Westwand des Ostflügels fanden sich ebenso wie weitere Baubefunde der Umbauphase 1906/07.
Funde und Baubefunde aus dem Mittelalter
Aus der Zeit vor der Errichtung des Jesuitenkonvents konnten die Reste eines der vier Vikarienhäuser aufgefunden werden. Zwei in ostwestlicher Richtung verlaufende Fundamente aus Mischmauerwerk, ungefähr sieben Meter voneinander entfernt, sowie die Ausbruchgruben der Nord- und Südmauer wurden erfasst.
Teile der Bodenflächen von insgesamt sechs Grubenhäusern wurden im Süden des Innenhofes dokumentiert. Funde des 9./10. Jahrhunderts, aber auch Fragmente von Kugeltöpfen des 11. Jahrhunderts belegen ihre Nutzungszeit im frühen und hohen Mittelalter. Aus dem Rest des südwestlichen Grubenhauses stammt ein besonderer Fund: ein Reitersporn, datierbar in das 9./10. Jahrhundert.
Die ältesten Befunde bildeten drei Gräbchen, die ein Rechteck andeuteten. Sie waren bis 33 cm tief, 14 bis 36 cm breit, und umschlossen eine Fläche von etwa 4,00 x 5,60 Metern. Leider enthielten sie kein datierendes Fundmaterial und könnten sowohl der Besiedlungsphase des 2./3. oder der des 9. Jahrhunderts angehört haben. Nicht geklärt werden konnte, ob es sich um Fundamentgruben oder Reste eines Grubenhauses oder um eine Einhegung anderer Art handelte.
Literatur
Holtfester, Ulrich, Marschalkowski, Agnieszka: Mauern, Gräben, Grubenhäuser – Ausgrabungen im Westen der Münsteraner Domburg. Archäologie in Westfalen-Lippe, 2014, Langenweißbach 2015, S. 94–98.
Sowade, Herbert: Münster - Jesuiten. In: Westfälisches Klosterbuch, hg. von Karl Hengst. (Quellen und Forschungen zur Kirchen- und Religionsgeschichte Bd.2) Bd. 2, Münster 1994, S. 88-96.