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Domplatz 23
Ausgrabungen am Philosophikum 2013
Ein Neubauvorhaben der Universität, die Erweiterung des „Philosophikum“-Gebäudes Domplatz 23, ermöglichte den Archäologen im Jahr 2013 Einblicke in einen vielversprechenden Bereich. Die Parzelle liegt am westlichen Rand der historischen Domburg und war nur teilweise überbaut. So bestand die Hoffnung, dass unter günstigen Bedingungen Spuren der frühesten Besiedlung und Befestigung vorhanden sein könnten. Die Ausgrabung umfasste die unbebauten Flächen südlich und westlich des 1901 erbauten Philosophikums und seinen gesamten Keller.
Eine Domherrenkurie, die sogenannte Merveldtsche Kurie, wird für diese Parzelle im Jahr 1268 erstmals erwähnt. Ihre rückwärtige Mauer grenzte an die um 1277 errichtete Immunitätsmauer. Spätestens seit dem 16. Jahrhundert befand sich hier der Sitz der bischöflichen Siegelkammer. Auf dem Stadtplan des Everard Alerdinck von 1636 ist sie als ein zum Domplatz hin giebelständiges Gebäude erkennbar.
Zwei Domburggräben
Zu den ältesten ausgegrabenen Befunden zählen zwei parallele, in nordöstliche Richtung verlaufende Gräben, die im Abstand von etwa vier Metern voneinander lagen. Sie gehörten mit großer Wahrscheinlichkeit zur Befestigungsanlage der früh- und hochmittelalterlichen Domburg. Der östliche Graben konnte über eine Länge von circa 10 Metern verfolgt werden. Bei einer Breite von fast fünf Metern besaß er noch eine Tiefe von bis zu zwei Metern, jedoch dürfte er ursprünglich deutlich größere Ausmaße besessen haben. Er erwies sich als der ältere der beiden Gräben und wurde bei der Anlage des zweiten Grabens im Verlauf des Hochmittelalters zugeschüttet. Der etwas weiter westlich gelegene jüngere Graben war mit einer geringeren Breite und Tiefe erhalten. Er ist vielleicht im Zusammenhang einer Erweiterung der Siedlungsfläche der Domburg zu sehen. Die beiden Gräben können auch als Beleg dafür gesehen werden, dass die Bewohner der Domburg ihre Befestigungsanlage den topografischen Verhältnissen anpassten. Während der Burggraben am östlichen Rand eine Breite von bis zu 18 Metern erreichte, nutzte man im Westen die Aa als natürliche Barriere und legte die Befestigung entsprechend schmaler an.
Ein Kalkbrennofen
Gelegentlich gelingt es, bei archäologischen Untersuchungen einen direkten Einblick in die Praxis mittelalterlicher Bauvorgänge zu gewinnen: Im Inneren des Kellers des Philosophikums wurde der Rest eines Kalkbrennofens freigelegt, der mithilfe des Fundmaterials in das Hochmittelalter datiert werden konnte. Erhalten waren noch ein Rest der rotgebrannten, ursprünglich mit Steinen ausgekleideten Wandung, eine Lage Kalk auf dem Boden sowie der Rest der aus Bruchsteinen gebauten Wandung mit dem Schacht für Zug- und Feueröffnung. Hier wurde offenbar der für das Anmischen des Mörtels wichtige Kalk gebrannt. Dieser Befund lässt auf eine Bautätigkeit im näheren Umfeld schließen, die derzeit noch nicht näher eingegrenzt werden kann.
Eine Uferbefestigung und Lederreste
Erfreulich für die Archäologinnen und Archäologen war, dass sich hier Holzreste im feuchten Bodenniveau erhalten hatten: Am westlichen Rand der Fläche, nahe der Flussniederung der Aa, wurde auf einer Länge von sieben Metern eine bis zu 2,60m breite hölzerne Uferbefestigung freigelegt, die wohl bis in das 17. Jahrhundert bestand. Möglicherweise handelte es sich um den Rest eines kleinen Teiches, der vom Wasser der Aa gespeist wurde, oder um eine Schutzmaßnahme gegen das Hochwasser der Aa. Aus diesem Umfeld stammen auch einige lederne Schuhsohlen und Sohlenreste, die hier offenbar als Abfall im 16. oder 17. Jahrhundert entsorgt worden waren.
Ein überraschender Fund
In einer Grube im Keller des Philosophikums wurde unerwartet ein ganz besonderer Fundkomplex aufgedeckt: Sie enthielt etwa 270 kg Scherben von vorwiegend farblosem Fensterglas, eine Menge von geschätzten 140.000 bis 160.000 Fragmenten, die in das 13. bis 16. Jahrhundert datiert werden konnten. Vereinzelt waren auch Scherben mit Bemalung sowie Reste von Bleiruten darunter. Es handelte sich offenbar um die Abfälle einer Glaserwerkstatt des 16. Jahrhunderts, die hier entsorgt worden waren. Sie steht möglicherweise im Zusammenhang mit Restaurierungsarbeiten am Dom und den umliegenden Gebäuden nach den Verwüstungen durch die Täufer 1534/1535.
Literatur
Dickers, Aurelia, Ellger, Otfried (2018): Hin und weg – bedrohte Kunst. In: Archäologie in Deutschland, 2018 Heft 2, S. 32-35
Holtfester, Ulrich, Marschalkowski, Agnieszka (2015): Mauern, Gräben, Grubenhäuser – Ausgrabungen im Westen der Münsteraner Domburg. Archäologie in Westfalen-Lippe, 2014, Langenweißbach 2015, S. 94–98
Holtfester, Ulrich, Schreiber, Torben (2014): "Structure from Motion" am Beispiel der Ausgrabungen am Philosophikum in Münster. In: Archäologie in Westfalen-Lippe 2013, Langenweißbach 2014, S. 226-229